Autor

Dario Fo

Alles fängt dort an, wo man geboren wird.
Ich kam in einem kleinen Dorf am Lago maggiore zur Welt, in San Giano, einem Dorf an der Grenze zur Schweiz, das vom Schmuggel und illegalen Fischfang lebt. Zwei Methoden, sein Leben zu fristen, die mehr als nur Mut erfordern: man braucht dazu ein gewaltiges Maß an Phantasie. Nur wer genug Phantasie hat, das Gesetz zu brechen, der hat auch genug Phantasie für den Hausgebrauch, wenn es darum geht, sich und seinen Freunden die Zeit zu vertreiben. In einer solchen Welt ist jeder Mensch eine ausgeprägte Figur, ist zugleich Autor und Held einer Geschichte, die er erzählt. Seit meinem siebten lebensjahr habe ich mir einen ganzen Schatz solcher Geschichten angesammelt, die ich von den Schmugglern und Fischern hörte, unter denen ich aufwuchs. Ich sammelte nicht nur Geschichten, ich lernte auch, wie man sie erzählt. vor allem lernte ich, die Dinge unter einem bestimmten Blickwinkel zu betrachten, die Wirklichkeit so und nicht anders zu sehen. Ich sah die Welt mit den Augen dieser Leute, blitzschnell unterteilte ich die Menschen in handelnde Personen und Chor, in solche, die Geschichten erfanden, und solche, die sie wiederholten (Autoren und Schauspieler): das war meine wichtigste Waffe, als ich in die Stadt kam (und wenn bei uns einer Stadt sagt, dann heißt das Mailand). Von den Leuten aus meinem Dorf gefielen mir am besten die Geschichtenerzähler, die von unserer Gegend aus um den ganzen Lago Maggiore herumreisten und auf den Plätzen oder in den Wirtschaften ihre Geschichten erzählten, die sie in keinem buch gelesen hatten. Es waren Geschichten, die der Beobachtung des täglichen Lebens entsprangen, voller Bitterkeit, die sich als Satire Luft machte. Sie setzten zwar an irgendeinem geringfügigen Vorfall an, aber sie steigerten sich, wurden zur Hyperbel. Immer erzählten sie in der ersten Person. Mit den Geschichtenerzählern hatte ich die Existenz einer ganzen Kultur entdeckt, die von Menschen geschaffen wurde, welche seit jeher für unwissend erklärt worden sind und immer die Parias der offiziellen Kultur waren So habe ich zum Beispiel eine systematische und vollständige Sammlung aller Schemata angelegt, auf denen komische Handlungen aufgebaut sind. die meisten dieser Schemata fand ich im Schauspiel des 15. und 16. Jahrhunderts. Und auch die, deren Urform sich bereits bei Plautus findet – um nicht noch weiter zurückzugehen – lassen sich auf Witze, Späße und Scherze zurückführen, die in den „ungebildeten“ Klassen kursierten: Plautus hat sie ganz bestimmt gekannt. Das Einzige, as er tat, war, sie zu sammeln – wobei er es verstand, sie in präzise Worte zu fassen und eine komplexe theatralische Maschinerie aus ihnen zu bauen. Darin, und in nichts anderem besteht das ganze Kunststück des Fachmanns, der ansonsten ganz auf das Material angewiesen ist, das er im täglichen Leben des Volkes, in seinen improvisierten Späßen und den Vergnügungen der so genannten ungebildeten Klassen vorfindet. die Commedia dell‘arte ist ein unerschöpflicher fundus komischer situationen, die aus dem Volkstheater des 15. Jahrhunderts stammen und mit der Entwicklung der Theatertechnik ausgefeilt und in verschiedener Weise weiter entwickelt wurden. die Novellisten des 14. jahrhunderts und die Komödienschreiber des 16. Jahrhunderts – die zweifellos zur „klassischen“ Literatur gerechnet werden – haben Themen udn Situationen weiterentwickelt, die sie in noch viel älteren Zeugnissen der mündlichen Überlieferung fanden, die wiederum von Schauspielern und Interpreten vermittelt worden war, die ihrerseits unbekannt geblieben sind. In der Tradition der volkskultur sind die eigentlichen Anfänge der Komik identisch mit den Anfängen der Satire. Alle Formen, in denen sich der giullare, der Spielmann, ausdrückt, sind zutiefst satirisch, und zwar allein schon durch die Tatsache, daß der guillare aus dem Volk kommt, aus dem Volk seinen Zorn bezieht, den er mit Hilfe des Groteken, der Vernunft, wieder ins Volk zurückträgt, damit dem Volk seine eigene Lage bewußt wird. (Aus: Dario Fo über Dario Fo, Prometh Verlag, Köln)

Stücke von Dario Fo (Auswahl)
Der Dieb, der nicht zu Schaden kam
Wer einen Fuß stiehlt, hat Glück in der Liebe
Erzengel flippern nicht
Bezahlt wird nicht
Mama hat den besten Shit
Zufälliger Tod eines Anarchisten
Nur Kinder , Küche Kirche (mit Franca Rame)
Offene Zweierbeziehung (mit Franca Rame)
Ruhe wir stürzen ab
Einer für alle, alle für einen! Verzeihung, wer ist hier eigentlich der Boß?
Hohn der Angst
Zufällig eine Frau: Elisabeth
Isabella, drei Karavellen und ein Scharlatan
Mistero buffo
Obszöne Fabeln
Der Papst und die Hexe
Johann vom Po entdeckt Amerika
Hilfe, das Volk kommt!
Geschichte einer Tigerin

Am Volkstheater seit 1988
„Bezahlt wird nicht“
„Wir haben alle die gleiche Geschichte“ (Lesung)

  

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