Jaroslav Hašek
Jaroslav Hašek, Autor von „Schicksale des guten Soldaten Schwejk während des Ersten Weltkriegs“ (so eigentlich müßte der tschechische Originaltitel ins Deutsche übersetzt werden, Anmerkung des Übersetzers), wurde am 24. April 1883 in Prag geboren. Sein Vater war ein eher kümmerlich dahinlebender Mittelschullehrer, der es später schaffte, zum kleinen Bankbeamten aufzusteigen.
Jaroslav Hašek war Bohemien, Anarchist, Landstreicher, Hundehändler, humoristischer Schriftsteller, Mystifizierer und zu guter Letzt auch ein österreichisch-ungarischer Soldat an der russischen Front – einer freilich, der sich weder durch Disziplin noch durch Gehorsam auszeichnete. Aus der österreichisch-ungarischen Armee war er desertiert, um sich, plötzlich patriotisch entzückt, den damals gerade entstehenden Tschechoslowakischen Legionen anzuschließen, aus denen er alsbald zur Roten Armee überlief, um es zum Kommissar und sogar zum Sonderbeauftragten der bolschewistischen Bewegung zu bringen. Begleitet von seiner Lebensgefährtin, die angeblich eine emigrierte russische Adelige war, tauchte Hašek 1921 unerwartet in Prag auf und führte sein Leben als Bohemien weiter.
Vor dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte Hašek in den verschiedensten Zeitschriften, Revuen und Kalendern rund fünfhundert kurze humoristische Erzählungen und gab mehrere Erzählbände heraus. Der erste Entwurf der Figur des Josef Schwejk, die später zur zentralen Gestalt von Hašeks literarischem Hauptwerk anwachsen sollte, entstand bereits 1911. Damals notierte sich Hašek auf einem kleinen Papierblatt den Titel einer neuen Erzählung: „Der Tölpel bei der Kompanie“. 1921, kurz nachdem er den Schwejk-Roman zu schreiben begonnen hatte, gründete er mit drei Freunden eine Gesellschaft, die den Roman in Eigenregie in Form von Fortsetzungsheften verlegte und in Gasthäusern kolportierte. Das Manuskript pflegte Hašek der Druckerei stets nur seitenweise zu liefern. Zuerst schrieb er mit der Hand, später diktierte er den Text beim Biertrinken in seinem Stammgasthaus namens Invald in Lipnice bei Havlíckuv Brod. Nach Lipnice war er umgezogen, weil es ihm in Prag unbehaglich und sein Leben dort voll Widerwärtigkeiten geworden war.
Die Literaturkritik nahm Schwejk vorerst gar nicht zur Kenntnis, er gehörte ja in den verrufenen Bereich der Boulevardliteratur. Diese Mißachtung störte Hašek kaum, denn seine Leser – es waren fast ausschließlich kleine Leute, meist Kriegsveteranen – waren wortwörtlich bereit, um die begehrten Schwejk-Hefte zu raufen. Eine Ausnahme unter den tschechischen Literaturgranden war der Schriftsteller Ivan Olbracht. Er beschrieb Josef Schwejk als einen „genialen Deppen, der, den Anarchismus seines Autors verkörpernd, in seiner tiefen Lebenskenntnis und seinem Wissen über die menschlichen Eigenschaften den Protest gegen die Niedertracht, Brutalität und Absurdität des Ersten Weltkriegs ausdrückt“. Wesentlich deutlicher als in seinen Erzählungen aus der Vorkriegs- und Kriegszeit führte Hašek im Schwejk ungewöhnlich originell und klarsichtig die verschiedenen Abarten der Ruchlosigkeit und des Zerfalls vor.
Auf Grund seiner kritischen Beschränktheit wurde Schwejk als Abbild einer einfältigen Volksseele gedeutet, bloß als Ausdruck des Lebenswillens von Unterdrückten und eines derben, die Wunden heilenden Lachens. Hašeks Humor aber geht viel mehr von der Doppeldeutigkeit des Tragischen und des Komischen aus. Bemerkenswert ist auch, daß es Hašek selbst war, der den Welterfolg seines Romans vorhersah – auf seinen ausgedehnten Zechtouren sprach er oft darüber. Lange bevor der gute tschechische Soldat die Weltszene erreichte, hatte bereits ein Werbeplakat angekündigt, daß es sich beim Schwejk um eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur handelte.
In der Tat, der Roman „Die Schicksale des guten Soldaten Schwejk während des Ersten Weltkriegs“ ist das berühmteste und meistübersetzte Buch der gesamten tschechischen Literatur geworden. Die Figur des Josef Schwejk wird mit Don Quijote und Sancho Panza verglichen, mit Oblomow, Falstaff und vielen anderen eindrucksvollen Gestalten der Weltliteratur. Das Geburtsjahr von Jaroslav Hašek, 1883, ist auch das Geburtsjahr eines anderen aus Prag Gebürtigen: Franz Kafka. Der eine lebte vierzig Jahre lang, der andere einundvierzig. Ihre gegensätzlichen Werke werden von der heutigen Literaturwissenschaft nebeneinandergestellt. Sie sind, ob ihrer starken Anziehungskraft und tiefen Menschlichkeit und trotz aller offensichtlichen Unterschiede, einander sehr nahe. Sowohl in seinem Land wie auf der ganzen Welt gilt Jaroslav Hašek als ein origineller und aktueller Klassiker, als einer, dessen Werk einen wichtigen Beitrag zur Erkenntnis des Menschlichen geleistet hat. Es ist ein Werk, das in seinem Wesen einen Spiegel jener Menschlichkeit darstellt, die selbst die tragischsten Lebensumstände nicht zerstören können.
Ohne seinen später so berühmten Roman zu Ende diktiert zu haben, starb Jaroslav Hašek am 3. Jänner 1923 in Lipnice. (Josef Hirsal, Übersetzung Jan Tabor)
Am Volkstheater
Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk (Bearbeitung Brod/Reimann), 1995/96