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Heinrich von Kleist

Der aus einer alten preußischen Offiziersfamilie stammende Kleist trat mit 15 Jahren in das Potsdamer Garderegiment ein und nahm 1793–95 am Rheinfeldzug gegen das französische Revolutionsheer teil. 1799 verließ er die Armee, studierte drei Semester in Frankfurt (Oder) und verlobte sich 1800 mit Wilhelmine von Zenge. Kleist lebte zunächst in Berlin, wo er das Drama Die Familie Ghonorez entwarf. Der zum Irrationalismus neigende und mehrfach von Todessehnsüchten gepeinigte Dichter reiste gehetzt und ruhelos durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz. Seine im Mittelalter spielende Schicksalstragödie Die Familie Schroffenstein (1803), eine umgearbeitete Fassung der Familie Ghonorez (1802), entwickelt die sich zwischen zartfühlender Innigkeit und grausiger Besessenheit verwirrende Geschichte zweier feindlicher Familien, die einander ermorden und auch ihre in wahrer Liebe verbundenen Kinder (Romeo-und-Julia-Motiv) töten. Die ständigen Täuschungen und Irritationen, rätselhaften Situationen und überraschenden Wendungen des Stücks sind charakteristisch für Kleists dramatischen Stil. Nach seelischem und körperlichem Zusammenbruch verbrannte Kleist das Manuskript seines Stücks über den heroischen Normannenherzog Robert Guiskard (1. Akt 1807 wiederhergestellt). 1804 trat Kleist wieder in preußische Dienste und arbeitete in Berlin und Königsberg (Amphitryon, 1807; Penthesilea, 1807/08). Nach dem Sieg Napoleons als angeblicher Spion verhaftet, bewegte sich Kleist nach seiner Freilassung im Kreise der Dresdener Romantiker (Adam Müller, Ludwig Tieck), gründete 1807 das Kunstjournal Phöbus und vollendete das Lustspiel Der zerbrochne Krug (1808) sowie das träumerisch-wunderbare Volksschauspiel Das Käthchen von Heilbronn (1808).
Der einstige Anhänger Rousseaus wurde nun zum erbitterten Napoleon-Gegner und Fürsprecher eines deutschen Nationalismus (Die Hermannsschlacht, 1808; Kriegslyrik und politische Gedichte, 1808/09). Aus einem ausweglosen Pessimismus rang er sich zur Anerkennung der Notwendigkeit und Gerechtigkeit staatlicher Ordnung durch. Er verkehrte in Kreisen der Berliner Romantiker (Achim von Arnim, Clemens Brentano, Rahel Varnhagen) und war Herausgeber und Redakteur der Tageszeitung Berliner Abendblätter (1810/11). Kleist trat auch als begnadeter Essayist (Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden; Über das Marionettentheater) und Erzähler (Die Marquise von O ...; Das Erdbeben in Chili; Die Verlobung in St. Domingo; Das Bettelweib von Locarno; Der Zweikampf) hervor. In seinen Prosaarbeiten, von denen die Novelle Michael Kohlhaas (1810) vielleicht die bekannteste ist, werden meist außerordentliche, paradoxe und dämonisch-schicksalhafte Ereignisse in unnachahmlich dichtem Sprachduktus poetisch gestaltet. Nach Vollendung des Prinzen Friedrich von Homburg (1811) in finanziellen Schwierigkeiten und persönlichen wie familiären Querelen, ging Kleist zusammen mit seiner Geliebten, der unheilbar kranken Henriette Vogel, in der Nähe des Berliner Wannsees bewußt in den Tod.
Gegen Schillers Ideenglauben und Goethes Erlösungsdrama setzt Kleist die oft einen historischen Stoff aufgreifende Tragödie der Verstrickung in einem verhängnishaften und unenträtselbaren Schicksal, dessen Sinn jenseits der Grenzen menschlichen Erkennens liegt. Seiner geheimnisvoll-brüchigen Wirklichkeitserfahrung steht die Überzeugung gegenüber, daß es in der Seele des Menschen eine nicht hinterfragbare Gewißheit instinktiven Erkennens gibt. Neben den Tragödien gehören auch Lustspiele und Erzähltexte – Kleist gilt heute als einer der Begründer der deutschen Novelle – zu seinem dichterischen Werk, das von Ausnahmen abgesehen (Friedrich Hebbel) erst im 20. Jahrhundert die ihm gebührende Aufmerksamkeit fand.

Am Volkstheater seit 1988/89
Amphytrion, (Gastspiel der Wiener Festwochen, Schaubühne, Berlin), 1990/91
Der zerbrochene Krug (siehe Artmann)
Kunst- und Weltbetrachtungen, Lesung, 1994/95
Der zerbrochne Krug, 2002/03

  

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