2003/04
Haupthaus |
Amadeus Premiere 9. Oktober 2003 Zitat: „Nur wenn ich Musik höre, weiß ich, dass es Gott gibt.“ Mit Inszenierung: Piet Drescher Mozart und Salieri, die Kontrahenten des Stücks, Konkurrenten um die musikalische Führung am Wiener Kaiserhof, fechten den alten Kampf zwischen Genie und Fleiß aus. Es ist ein Kampf auf materieller ebenso wie auf spiritueller Ebene. Und es ist ein ungleicher, ein tragischer Kampf. Denn wenn Salieri auch durch Weltklugheit und Intrigen, vielleicht sogar durch ein Verbrechen auf der materiellen Ebene den Sieg davon trägt, weiß er doch nur zu genau, dass er da, wo es für ihn zählt, nicht gewinnen kann. Mozart und Salieri sind auferstanden! Das Volkstheater setzt bei Peter Shaffers „Amadeus“ auf perfektes Kunsthandwerk. In kompakter Ensembleleistung zeigt sich dank Piet Drescher ein Trio ganz groß: Toni Böhm als brillanter Salieri erklärt sich dabei als beeindruckender Schauspieler, der alle Facetten eines Menschen zu zeigen vermag. Imponierend! Karl Markovics’ Mozart – ein virtuoses Springinkerl – lauscht der von Shaffer raffiniert ins Geschehen gesetzten Musik Mozarts – hört dabei in sich selbst hinein, überzeugt bei Seelennot und Körperpein. Dritte im Bunde ist Chris Pichler als temperamentvolle Constanze Weber. Sie ist nicht nur lieblich anzuschauen – die in ihr steckenden darstellerischen Kräfte sind wieder erweckt, denn sie liebt und leidet mit Poesie und Witz, Bangen, und das ganz ohne falsche Töne. Piet Dreschers Regie hat keinen Moment Durchhänger, Längen oder Unstimmigkeiten: Er führt das Ensemble durch den kulinarisch-lustvollen Abend.
Feinheiten des klugen Textes, Bonmots, Kommentare sind deutlich herausgearbeitet in Piet Dreschers Inszenierung; der Ostdeutsche beherrscht sein Handwerk kreativ. Zwei Publikumslieblinge spielen die Hauptrollen: Überzeugend Toni Böhms Salieri als aufstrebender Künstler, der mit Gott Geschäfte zu machen versucht. Karl Markovics’ Wagemut nötigt einmal mehr Bewunderung ab. Schließlich könnte er sich mit der Rolle eines TV-Stars begnügen, nein, er erspielt sich seine Bühnenrollen, er ringt auch mit Mozart, als gehe es ums Leben – und er findet vor allem im Finale wunderbar leise Töne eines vom Leben geschlagenen Spaßmachers, verletzten Kindes – das sich, von allen verlassen, dem Tod ergibt. Trotzdem, die lebendigste Figur dieser Aufführung bleibt Chris Pichlers Constanze Mozart. Dreschers Inszenierung hat ein einziges Anliegen: das Stück spannend, psychologisch ausgefeilt zu erzählen, großes Schauspielertheater zu entwerfen. Ohne Ironisierung, ohne Brechung, ohne künstliche Distanz. Und ganz ohne opulente Ausstattung: Helmut Stürmers Bühnenbild ist angenehm karg. Helga Leues historisierende Kostüme setzen kräftige Farbakzente und lenken die Aufmerksamkeit gekonnt auf die SchauspielerInnen. Das Konzept geht auf. Und verhilft dem literarisch zweifellos nicht hochwertigen, aber bühnenwirksamen „Knüller“ zum künstlerischen Erfolg. Dies vor allem durch die ideale Besetzung der beiden Hauptrollen. Zwei der großartigsten Momente der Inszenierung sind aber Chris Pichler als Constanze vorbehalten: Ihr hysterischer Ausbruch und, nach Mozarts Tod, ihr erstickter Klagelaut sind unvergesslich. Georges Kern spielt Joseph II. mit pointierter Tumbheit, Uwe Falkenbach, Wolf Dähne, Erwin Ebenbauer versuchen, aus ihren Stichwortgeber-Rollen Charaktere zu formen, was ihnen durchaus gelingt. Das Volkstheater hat sein Potenzial in bestem Licht gezeigt. Markovics und Böhm liefern einander ein oft furioses Psycho-Duell. Übermütig, rüpelhaft, launisch, kindisch, egozentrisch, offen, lebenshungrig, verspielt und zuletzt gebrochen – als Amadeus spielt Karl Markovics ganz wunderbar auf der Klaviatur der Gefühle. Die stärksten Momente gelingen ihm, wenn er aus seiner Rolle heraus steigt und abseits von allen Mozart-Klischees die vielen Facetten eines Genies (und eines exzellenten Darstellers) durchlebt. Salieri wird von Toni Böhm ausgezeichnet verkörpert. Ein vom Publikum laut bejubeltes Match um Macht, Frauen und Noten. Toni Böhm gibt dem grantelnden Salieri genügend Ecken und Kanten, um ihn vom Bösewicht zur tragischen Existenz zurechtzuschleifen. Karl Markovics überzeugend in der wachsenden Verzweiflung des einstigen Wunderkindes, das nicht erwachsen werden kann. Als flatterhaftes Temperamentbündel spielt Chris Pichler die Constanze, gravitätische Beschränktheit zeichnet den Kaiser (Georges Kern) und seine Hofschranzen (Uwe Falkenbach, Wolf Dähne, Erwin Ebenbauer) aus. Genau gearbeitete Details, subtil eingesetzte Musikbeispiele. Ein Haupttreffer für Interpreten und Publikum. Runder und gelungener kann ein Stück kaum sein – und in einer entsprechenden Inszenierung hat das Volkstheater einen triumphalen Abend zu bieten, der auch neue Akzente herausarbeitet. Die vielleicht exzellenteste, weil schonungsloseste Constanze, die man je gesehen hat, ist Chris Pichler. Und dann ist da noch Karl Markovics als Mozart: der Außenseiter schlechthin, stets unter Hochspannung stehend, bockig, aufbegehrend, die existenzielle Zerrissenheit der Figur vermittelnd. |