1998/99
Haupthaus |
Amy’s Welt Deutschsprachige Erstaufführung Premiere 28. März 1999 Dominic Tyghe: Fritz Hammel Inszenierung Arie Zinger Amy’s Welt schildert das Leben von drei Frauen einer englischen Künstlerfamilie in den Jahren 1979 bis 1995. Die deutschsprachige Erstaufführung hat das Wiener Volkstheater an Land gezogen. Arie Zinger – der den VT-Schlager „Meisterklasse Maria Callas“ inszenierte – führte Regie. Zinger hat das Ensemble bestens vorbereitet. Vor allem Anne-Marie Kuster als Esme, die Mutter, strahlt vielfarbig: eine rundum sympathische, intelligente, moderne Frau. Vera Borek gibt die Großmutter Evelyn: Atemberaubend, wie sie zuletzt zur von Alzheimer geschlagenen stummen Greisin wird; aber davor, als vitale Oma, ist sie nicht minder unschlagbar. Fritz Hammel überzeugt als netter, ein bißchen exzentrischer Junge von nebenan; dann packt ihn der Ehrgeiz, er hat Erfolg – und wird zum Scheusal. Emanuela von Frankenberg (Amy) ist eine bemerkenswerte Schauspielerin – und sie wäre ein Gewinn fürs Volkstheater. Michael Rastl konturiert präzis, hintergründig den Hausfreund Frank, einen nicht ungefährlichen Sonderling. Georgi Nikoloff hat einen lebhaften Kurz-Auftritt als Jungtalent. Ein solider spannender Abend im Volkstheater. Der Konflikt zwischen Mutter und Tochter. Die eine verschreibt ihr Leben der Kunst, die andere der Liebe. Die Kunst gibt über alle menschlichen Katastrophen hinweg Halt, die Liebe scheitert. So schillert Anne-Marie Kusters Esme noch einigermaßen ansprechend zwischen mehreren ganz reizvollen Figuren. Eine außergewöhnliche David-Hare-Aufführung. Hare benützt die Figur von Esme und jene des ungeliebten Schwiegersohnes Dominic (Fritz Hammel) für eine stürmische, dialektisch spitzfindige und das Publikum fesselnde Auseinandersetzung über Theater und Fernsehen. Anne-Marie Kuster ist als Esme glänzend, persönlichkeitsstarker, funkelnder Mittelpunkt des Abends. Ein starker, ein ungewöhnlicher Theaterabend. Eine alternde Diva des Londoner Westend-Theaters ist mit einem Schwiegersohn gestraft, der sich vom studentischen Lohnschreiber zum Medienmogul und Gewaltfilmregisseur hocharbeitet. Die Diva Esme der Anne-Marie Kuster wirkt auch gleich bei der ersten Begegnung abgestoßen von ihm, und Fritz Hammel tut das Seine. Sein Dominic ist unglaublich blasiert. Am Schluß ein Spot auf die geschminkte Komödiantin: Das ganze, nackte pralle Leben auf Florian Ettis sparsamer Bühne. Was wie Kolportage klingt, wird von David Hare in nüchternen Streiflichtern auf die Bühne gebracht. Ein Realismus, dem die laute, emotionsgeladene Inszenierung Arie Zingers kaum entspricht. Was bei Esme noch verständlich wirkt – daß sie als Schauspielerin auch im Privatleben unentwegt Rollen spielt und auf Wirkung bedacht ist –, wird im Falle Dominics schon weniger glaubhaft, wenn auch er, der intellektuelle Cineast, theatralisch auftritt und spricht. Amy aber, die eine pragmatische Einstellung zum Leben hat, wirkt verklemmt, nervös und unausgeglichen. In diesem neurotischen Beziehungsgeflecht ist Michael Rastl als Frank mit seiner unaufdringlichen Art eine wohltuende Ausnahme, auch wenn sein Einfluß auf Esme verheerende Folgen zeitigt. David Hare, theater- wie filmerfahren, schuf ein sentimentales, thematisch vielschichtiges und ausuferndes Gesellschaftsdrama. Emanuela von Frankenberg ist die personifizierte Lebenslust namens Amy: Von der naiv alles Bejahenden bis zum Liebeskrüppel liefert sie ein überzeugendes Bild der vergessenen Generation, der die Gegenwart den Atem nimmt. Anne-Marie Kuster ist Esme, die ahnungslose Schauspielerin und Mutter. Imponierend ihre Darstellungskraft! Erstaunlich die Leistungen des Volkstheaterensembles: Fritz Hammels Fernseh-Karrierist Dominic, Vera Boreks immer mehr verstummende „Oma Evelyn“ und Michal Rastls Geldjongleur Frank gehört auch ein Teil vom Premierenapplaus. Arie Zinger hat am Wiener Volkstheater dieses Zeitstück über Thatcher-Ära samt John-Major-Nachklang zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht. Vera Borek und Michael Rastl geben Nebenfiguren Profil, Emanuela von Frankenberg folgte willig auf die falsche Hysterisierungsfährte, Fritz Hammel besticht in der Karikatur, und Anne-Marie Kuster verfügt über soviel schauspielerische Routine, daß sie auch ein Telefonbuch vorlesen könnte. Voll falscher Töne. Die Schauspieler scheitern an den lauten Emotionsausbrüchen, die ihnen der Regisseur abverlangt. |