Anna Galactia. Szenen einer Exekution
von Howard Barker
(Deutsch von Paul Ingendaay. Fassung für das Volkstheater)
Österreichische Erstaufführung
Premiere 19. März 1995
Anna Galactia: Andrea Eckert
Carpeta: Thomas Evertz
Prodo: Rudolf Jusits
Urgentino: Hannes Gastinger
Supporta: Proschat Madani
Suffici: Johannes Terne
Gina Rivera: Cornelia Lippert
Ostensible: Robert Hauer-Riedl
Inszenierung: Beverly Blankenship
Bühne: John Lloyd Davies
Kostüme: Elisabeth Neururer
Die Republik Venedig hat mit ihrem Sieg über die Türken in der Seeschlacht von Lepanto 1570 die militärische und politische Vorherrschaft im Mittelmeer errungen. Nun soll der Sieg durch ein monumentales Gemälde gebührend gefeiert werden. Den riesigen Staatsauftrag erhält gegen Widerstände aus konservativen Kreisen die umstrittene Malerin Anna Galactia. Doch diese sieht Krieg und Schlacht in aller Grausamkeit und hat für Ruhm und Ehre, Patriotismus und Machtpolitik kein Verständnis. Gegen zunehmenden Widerstand malt sie mit wachsender Besessenheit ein Mahnmal gegen den Krieg.
Der englische Autor verlegt den Konflikt zwischen Kunst und Macht, zwischen Staatsraison und Wahrheit in die Rennaissance, doch er schreibt ein heutiges Stück; im Jahre 1995 schmerzlich zeitgemäß. „Anna Galactia“ handelt von der Möglichkeit und Unmöglichkeit, das Grauen des Krieges in Bilder zu bannen, von der politischen Wirkung und Wirkungslosigkeit der Kunst, von der Selbstüberschätzung und Resignation der Künstler und von der Instrumentalisierung der Kunst zu politischen Zwecken. Gleichzeitig entwirft Barker – inspiriert von der Renaissancemalerin Artemisia Gentileschi – das faszinierende Portrait einer ungewöhnlichen, unangepaßten Frau, die den Machthabern zur Provokation wird: in der Liebe, in der Kunst und in der Politik.
Zu dieser Thematik fand im Volkstheater am 19. März 1995 eine Politik-Matinée mit dem Titel „Die Macht und die Kunst: ein Verhältnis“ statt.
Pressestimmen
Regisseurin Beverly Blankenship nähert sich dem Stück mit der Konsequenz einer erstklassigen Malerin. Das Licht ist wichtigstes Mittel der Gestaltung, die Personen sind realistisch zu entlarvender Wahheit überhöht. Herausragend in der Hauptrolle: Andrea Eckert. Ein hervorragender Abend, ein riesiger Publikumserfolg.
HS, Kronenzeitung
Howard Barkers Artistinnen-Drama Anna Galactia, von Beverly Blankenship wunderbar lapidar in den Fluchtraum eines zentralperspektivisch sich verjüngenden Kippbildes gerückt (Bühne: John Lloyd Davies) schließt Macht mit Männlichkeit, Wahrheit mit weiblichem Wähnen (etwas zu) kurz.
Das außerordentliche Gelingen dieser Produktion liegt in der Art, wie Blankenship die Furcht vor der bloßgestellten „nackten“ Wahrheit , die den Dogen, seine Schranzen, Parzen und Charmeure umtreibt, in Szenen der Entpuppung wie der Häutung übersetzt. Aus der Einfalt (der venzianischen Kunstkonsumenten) wächst und wuchert Vielfalt – Changieren und Nuancieren eines großartigen Bestiariums. Lederig-reptilienhaft der Kardinal Robert Hauer-Riedls. Ein seltsam schillerndes Insekt die „Kunst-Kritikerin“ von Cornelia Lippert. Wie ein schwarzer Panther saust der kahle Doge Hannes Gastingers auf und nieder. Ein lächerlicher Leon der Seeheld des Johannes Terne.
Wie eine Guillotine saust die (abgewandte) Riesenleinwand der Galactia Stück für Stück das Portal hinab. Wir können nicht sehen, was Anna gemalt hat. Alles ist dunkel, Galactia sitzt im Künstlerinnen-Kerker. Aber wir ahnen alles. Blankenship sei Dank.
Ronald Pohl, Der Standard
Die sarkastische Inszenierung hat Biß und Tiefgang, sie führt an vielen Stellen auch über den gescheiten Text hinaus.
Kurier
Regisseurin und Bühnenbildner nutzen alle Möglichkeiten, das ganze noch effektvoll aufzufetten, ohne Sache und Sprache zu verlieren.
Der Falter