2002/03
plafond
2003/04
Haupthaus

Antilopen
von Henning Mankell

Österreichische Erstaufführung

Premiere 10. November 2002 (plafond)
Wiederaufnahme 4. Oktober 2003 im Haupthaus

Mit
Cornelia Köndgen
Rainer Frieb
Christoph von Friedl

Inszenierung: Birgit Doll
Ausstattung: Hermann Krejcar
Musikalische Beratung: Peter Kaizar

Verkommenes Ufer Schwarzafrika: So empfindet das schwedische Entwicklungshelfer-Ehepaar nach über zehn Jahren Aufenthalt den Kontinent, auf den es einst voller Engagement gekommen ist, um seine Entwicklung zu fördern; wobei sich das „seine“ sowohl auf den Kontinent als auch auf die Helfer bezieht. Die Verkommenheit, die sie vorzufinden glauben, haben sie selbst aus der Alten Welt mitgebracht und sie ist in den Tropen monströs angewachsen. Der Tag der Abreise wird auch zum Tag der Abrechnung und erweist sich als vergeblicher Rettungsversuch zweier unrettbar Verlorener, deren Hilfe für Afrika aus psychischer und sexueller Ausbeutung bestand. Und der Nachfolger, der sich mit neuem Elan in das Hilfsprojekt stürzt? Wird er, kann er es anders, besser machen? Mankell zieht in diesem Stück eine vernichtende Bilanz der so genannten Entwicklungshilfe des Westens und übertreibt, glaubt man Fachleuten, dabei kaum. Ein dramatischer Psychothriller und zugleich eine ernstzunehmende Analyse des europäischen Versagens; das bisher erfolgreichste Stück des schwedischen Bestseller-Autors Henning Mankell, der selbst seit Jahren in Afrika lebt und arbeitet.

„Wollen wir ihnen helfen zu leben oder zu sterben?“ (aus „Antilopen“)

ntwicklungshilfe, oder wie es heute im deutschsprachigen Raum korrekt heißt, Entwicklungszusammenarbeit ist nicht zu verwechseln mit rein humanitärer Hilfe, wie sie seit langem von Kirchen oder Religionsgemeinschaften – praktisch immer in missionarischer Absicht – und heute auch von NGOs geleistet wird (auch wenn die Grenzen manchmal fließend sind). Während letztere darauf ausgerichtet ist, Krisensituationen zu bewältigen oder die Lebenssituation von kleinen Gruppen zu verbessern, soll erstere die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung eines Landes oder einer Region befördern. Dabei werden Kredite, humanitäre Hilfe und Entwicklungsprojekte im engeren Sinn eingesetzt. Entwicklungshilfe ist im Gegensatz zur humanitären Hilfe ein relativ junges Phänomen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Kalten Krieges, begannen Staaten und überstaatliche Organisationen den Wettkampf um politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf Länder, die gerade erst ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, auch mit Entwicklungsprojekten auszutragen. Dass diese Projekte insgesamt nicht sehr effektiv waren und sind, lässt sich auch ohne detaillierte Sachkenntnis an der wirtschaftlichen Situation der so genannten „Nehmerländer“ ablesen, die sich in den letzten Jahrzehnten durchweg massiv verschlechtert hat. Dass sie den „Geberländern“ oft mehr Nutzen bringen als den „Nehmerländern“ ist zumindest ein hartnäckiges Gerücht.
Mit der Erfindung der „Entwicklungshilfe“ entstand der Beruf des „Entwicklungshelfers“, der hohes Ansehen genießt. Alte Klischee-Vorstellungen vom aufopferungsvollen Missionar, vom Urwalddoktor oder vom kühnen Abenteurer schwingen immer noch mit, wenn eine oder einer aufbricht, um – meist in Afrika – gegen Not und Rückständigkeit zu kämpfen. Idealismus, meint man, muss im Spiel sein, wenn Menschen ihre vertraute Umgebung verlassen, um in ungemütlicher, als bedrohlich empfundener Umgebung zu „helfen“. Tatsächlich sind in der Entwicklungsarbeit aber weniger IdealistInnen als SpezialistInnen gefragt. Hoch bezahlte SpezialistInnen übrigens, was in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Die Arbeit als EntwicklungshelferIn bedeutet fast immer Einkommensverbesserung und Zuwachs an Sozialprestige. Selbst wenn die Einkommensverbesserung im Herkunftsland nicht gravierend sein sollte, durch die niedrigen Lebenhaltungskosten im Einsatzland wird sie enorm.
EntwicklungshelferInnen sind mit der Situation konfrontiert, in der neuen Umgebung plötzlich zu den Reichen und Mächtigen zu gehören. Sie verdienen unfassbar viel mehr, als die Menschen, mit denen sie zusammen arbeiten sollen, sie leben häufig in den streng bewachten Ghettos der Wohlhabenden, haben Hauspersonal, verkehren mit der politischen Elite des jeweiligen Landes, und wo ihr Herkunftsstaat keine eigene Botschaft unterhält, können sie zu quasi offiziellen Repräsentanten dieses Staates werden. Auf diese neue soziale Situation sind sie schlechter vorbereitet, als auf die klimatische oder medizinische. Ihr Vorwissen über das Land, in dem sie arbeiten sollen, ist oft rudimentär und sie beherrschen die Sprachen ihres Gastlandes meist nicht oder nur mangelhaft. So werden ihre Kommunikationsmöglichkeiten eingeengt und das Verständnis für die sozialen und kulturellen Gegebenheiten an ihrem Einsatzort erschwert. Frustrationen, die in der fremden Umgebung nicht ausbleiben, können nicht aufgearbeitet werden und gerade wo bei der Entscheidung, in die Entwicklungsarbeit zu gehen, neben dem finanziellen Anreiz ein vager Idealismus im Spiel war, kann sich dieser schnell in Zynismus verwandeln.

 
Pressestimmen

Die Realität ist allemal schlimmer als jede Fantasie. Das muss man sich in Mankells Entwicklungshelferdrama Antilopen immer vor Augen halten, um Gewinn aus dem gewiss sperrigen Stoff zu ziehen. Birgit Doll ist ins Regiefach gewechselt, um das Stück am plafond des Volkstehaters einzurichten: eine runde Arbeit, die aus einer Kette von Einfällen fest zusammengehalten wird und sich so geradezu bestürzend sicher zeigt. Die Inszenierung erreicht flirrende Dichte, ihre Luft lädt sich immer wieder elektrisch auf. Sie verdankt es am allermeisten den Schauspielern.
Margarete Affenzeller, Der Standard

Ein Hauch Sozialkritik, eine Prise Weltschmerz und eine gehörige Portion Psychokrieg – Mankells erstes Theaterstück erinnert an Edward Albees „Virginia Wollf“, zeigt aber auch das Dilemma der „Dritten Welt“. In Hermann Krejcars karger Ausstattung weiden sich Cornelia Köndgen und Rainer Frieb mit Bravour am gegenseitigen Elend. Und Christoph von Friedl trägt souverän die hässliche Fratze des westlichen Erretters zur Schau. Gut gemacht.
Peter Jarolim, Kurier

Der schwedische Autor zeichnet in „Antilopen“ jenes schwarze Segment der Entwicklungshilfe nach, das auf beiden Seiten mehr Schaden als Segen nach sich zieht. Als Stilmittel bedient er sich einer klassichen Dialogform, die das Zerbrechen von Werten und seelischen Bindungen auf sehr direkte Weise abbildet.
In der Inszenierung von Birgit Doll wird Mankell „beim Wort genommen“. Und so gestalten im schlichten Bühnenraum von Hermann Krejcar die Stimmen der Protagonisten das Geschehen.
Die undankbare Rolle des ekelhaften Rassisten fand mit Rainer Frieb eine kongeniale "Patenschaft". Nicht minder überzeugend Cornelia Köndgen, die zwischen äußeren und inneren Fronten kämpft und ihre Macht mitunter am raffiniertesten ins Spiel brachte.
Christine Dobretsberger, Wiener Zeitung

Der wirklich spannende Teil des Abends liegt in der Psychose des Ehepaares, das sich in der bedrückenden Stimmung des ewig quakenden und trommelnden Dschungels um den allerkleinsten Kreis zwischen Wahn und Sinn dreht.
Rainer Frieb gibt eine verkrachte Existenz, die in ihren Verzerrungen und in ihrer hämischen Qual einen Hauch von Jack Nicholson in sich trägt.
Oliver A. Lang, Kronenzeitung

Henning Mankell hat wohl konkrete Erfahrungen komprimiert. Sein atmosphärisch dichtes Gewebe wurde von Birgit Doll ohne großen Aufwand drapiert. Das Ensemble könnte sich auch auf einer größeren Bühne sehen lassen: Christoph von Friedl als Neuankömmling, Cornelia Köndgen als frustrierte, geschändete, kaputtgemachte Ehefrau des schon dem Delirium nahen Ungustls – eine eindrucksvolle Studie von Rainer Frieb.
hai, Die Presse

Produktionen A