2001/02
Haupthaus |
Da kommt noch wer Österreichische Erstaufführung Premiere 24. Februar 2002 Er: Wolfgang Hübsch Inszenierung: Georg Schmiedleitner Das Paradies war kaufbar, und es wurde gekauft. Eifersucht als Paranoia schleppt das Paar (Birgit Doll, Wolfgang Hübsch) in das entlegene Idyll. Und der da noch kommt, „Der Mann“ (Raimund Merker), wird in der Logik des Zwangs zum gefürchteten Eindringling. Eine Stunde etwa dauert die Vertreibung aus dem Paradies – keine lärmende Entzweiung ins Schweigen der Natur. Nein, leise Minuten zwanghaften Wahns. Der subtile Terror der Paarbeziehung, keiner singt ihn genauer als Fosse. Singt, und „eine Art Lied“ nannte er „Da kommt noch wer“, eine melodische Strophenfolge mit Thema, Wiederholung und Variation. Gerade in der permanenten Repetition, gerade in der unüberbietbaren Einfachheit der Sätze gelingt Fosse jenes Kippen der Künstlichkeit in einen inneren Realismus des Gefühls. Geradezu archetypisch spürt das Stück die Mechanismen der Eifersucht auf. Georg Schmiedleitners Regie gelingt das Kunststück, das Fossesche Lied von der Eifersucht zum Klingen zu bringen.
Der norwegische Dramatiker-Shooting-Star Jon Fosse wirft in seinem Stück einen genauen Blick auf banale Alltäglichkeiten und Glücksvorstellungen. Bei der österreichischen Erstaufführung hat Regisseur Georg Schmiedleitner das feine Textgewebe weitergesponnen. Birgit Doll und Wolfgang Hübsch als leicht verhuschte Idylliker liefern ein hochartifizielles, unterhaltsames Kammerspiel. Störenfried Raimund Merker fügt sich recht trefflich ins Spielgeschehen ein. Dass sich die einzelnen Figuren wirklich in den Spinnenfäden dieses Psychodramas verstricken, ist einerseits dem hochkarätigen Darsteller-Trio zu verdanken, andererseits Georg Schmiedleitners Regie, die speziell das beredte Schweigen des Ehepaars zu „verbalisieren“ versteht. Signifikant auch die mit Packpapier bespannte Bühnenkonstruktion von Florian Parbs, die es den Protagonisten selbst überlässt, wie groß jener Ausblick in die Welt sein soll, den man sich via Stanley-Messer selbst freischneidet. Der Norweger Jon Fosse ist derzeit mit seinen minimalistischen Familien- und Beziehungsdramen der meistgespielte Autor Europas. Er schreibt mit nur wenig Vokabular kurze Sätze, dafür mit umso mehr Aussagekraft in den Gesprächspausen und im Nicht-Gesagten. Diese absurd komischen und einsilbigen Stücke sind eine Herausorderung an die Regie, das richtige Maß zu finden zwischen Rhythmus und Länge, zwischen Betroffenheit und Lachen. Georg Schmiedleitner hat dieses dafür nötige Gespür – dabei zur Verfügung stehen ihm zwei Schauspiel-Profis: Wolfgang Hübsch und Birgit Doll. Birgit Doll ist körperlich und verbal eher stumme Zurückhaltung, doch hinter der Fassade brodelt innere Unruhe. Wolfgang Hübsch trifft und spielt viele Zwischentöne: von ängstlicher Vermutung über verhaltene Wut bis hin zu aggressiver Eifersucht. Das Bühnenbild von Florian Parbs ist ein stilisiertes Papierhaus – kein Haus, um Ruhe und Sicherheit zu finden, sondern nur brüchiger Rahmen für ein Wunschdenken. Jon Fosse, der norwegische Erfolgsautor, stellt archetypische Situationen dar, entwirft Wunschszenarien, denen der kleine Horror entspringt. In denen, sonst zugedeckt vom Lärm der Betriebsamkeit, die menschliche Einsamkeit so richtig zum Vorschein kommt. Das ist Theater in der Tradition Ibsens. Nur minimalistischer. Regisseur Georg Schmiedleitner führt das Geschehen so nah wie möglich an die Realität heran, orientiert sich aber gleichzeitig an der Musikalität der Wiederholungen. Das Volkstheater bietet ein Paar auf, das schon öfter demonstriert hat, dass es das kleine Beziehungshickhack, die zärtlichen Annäherungen wie aggressiven Untergriffe, auf höchstem Niveau beherrscht. Wolfgang Hübsch und Birgit Doll sind eine viel versprechende, auch komische Besetzung, und schon die Eröffnungsszenen lassen erkennen, wohin die Reise an diesem Abend geht. 75 Minuten schlichter Text, überstrapaziertes Unheimlichkeits-Pathos. Ein Sprechpuppen-Paar, Barbie’s Großeltern, Poseure für Standfotos. Schon lange nicht waren mir eineinviertel Stunden so lang und langweilig. Die beiden Protagonisten suchen die Einsamkeit. Sollen sie ruhig, wenn ich ihnen nicht dabei zusehen muß. |