1998/99
Haupthaus |
Don Carlos Premiere 28. Februar 1999 Philipp der Zweite, König von Spanien: Wolfgang Hübsch Inszenierung und Spielfassung Niels Peter Rudolph Ein Vater ist übermächtig und läßt den Sohn diese Allmacht spüren: Im öffentlichen wie im privaten Leben ist jeder Wunsch von ihm Befehl. Denn dieser Vater ist spanischer König und Herrscher eines „Reichs, in dem die Sonne nie untergeht“ – Philipp II. war machtvollkommener Regent eines Weltreichs. In Friedrich Schillers Drama „Don Carlos“ unterdrückt er seinen Sohn wie seine Untertanen. Keinen eigenen Willen läßt er ihm, kein politisches Amt überträgt er ihm, jeder Freiheitswunsch wird im Keim erstickt. Überall wittert dieser Herrscher Verrat, sogar der eigene Sohn könnte in Mordabsicht die Waffe gegen ihn erheben. Zumal der Vater die junge Frau, die der Sohn liebt, selbst zur Gemahlin nahm: Elisabeth von Valois wurde Philipps II. Ehefrau. So dürstet Don Carlos sowohl nach der verweigerten Freiheit wie nach der verweigerten Liebe. In seinem Jugendfreund Marquis Posa glaubt er den Mittler zu beidem gefunden zu haben. Doch dieser schmiedet seine eigenen politischen Pläne, wozu ihm der Königssohn als willkommenes Bindeglied zum spanischen Hof dient. Dieser spanische Hof war für Schiller der geschichtliche Inbegriff von totalitärer Macht – wie er sich für Europa in unserem Jahrhundert am deutlichsten in den diktatorischen Staatsstrukturen der dreißiger Jahre zeigte. Wo Unterdrückung und tyrannische Willkür herrschen, wird Schillers Schrei der Jugend nach Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit aus diesem uns zeitlich noch nahen Blickwinkel umso drängender. Am Vorabend der Französischen Revolution, deren Ehrenbürger Schiller wurde, kleidete der Dichter die Forderung nach den Menschenrechten, die dann erst die französische Nationalversammlung formulierte, in die Form eines - Geschichte als Beispiel vorführenden - Dramas, in dem der Konflikt zwischen Jugend und Alter, Befreiung und Beherrschung, Liebe und Staatsräson wie ein Schwelbrand glüht. Es ist ein ungewöhnlicher „Don Carlos“, den Niels-Peter Rudolph im Volkstheater inszeniert. Stark gekürzt, kommt die Dichtung und ihre grandiose Sprache zur Geltung. Es entsteht eine spannende Inszenierung, in der der Text weitgehend ohne Pathos und hohles Versgeklingel transparent gemacht wird. In dem weitläufigen Raum von Lilot Hegi, der mit Versatzstücken und dem stimmig eingesetzten Licht rasch wandelbar ist, steigert sich das Geschehen dynamisch. Wolfgang Hübsch gestaltet einen eindrucksvollen König, berührend in seiner Einsamkeit, in der jähen Eifersucht und der Trauer um Posa. Orazio Zambelletti ist ein sehr ungewöhnlicher Carlos, ein wildes, ungebärdiges Kind mit hoher Singstimme, ein liebessehnsüchtiger Kobold, der blind in sein Verderben rennt. Chris Pichler gestaltet eine schrille, rebellische Königin, eine frustrierte Frau, die erst zuletzt zu sanften Tönen findet. Exaltiert in enttäuschter Liebe, Ehrgeiz und Fall auch Franziska Sztavjaniks Eboli. Der Hexenmeister Niels-Peter Rudolph bläst alle Spinnweben der Zeit weg, präsentiert uns das Freiheitsdrama, wie man es hierzulande noch nie gesehen hat. Allen voran König Philipp II., von Wolfgang Hübsch souverän gespielt. Orazio Zambelletti mit schwarzem, schulterlangem Haar als Carlos, jeder Zoll ein Antiheld. Wie Andreas Patton die Verwandlung des Marquis Posa in einen coolen Machtpolitiker spielt, ist eine weitere schauerliche Glanznummer. Schiller heute? Wenn, dann so. Rudolphs Spielfassung ist verkürzt, die Intrigen werden so überhastet, daß sie dem unbeleckten Zuschauer kaum verständlich werden. Das könnte manchmal auch mit mangelnder Sprechkultur zu tun haben. Elend schlecht gespielt. Da gibt es neben unverständlichen Parlandotönen rollendes und tremolierendes Pathos. |