2002/03
Haupthaus

Don Juan kommt aus dem Krieg
von Ödön von Horváth

Premiere 23. Februar 2003

Mit
Helmut Berger als Don Juan
und Babett Arens, Gabriela Bruckner, Susanne Holl, Sandra Knoll, Jaschka Lämmert, Erni Mangold, Johanna Mertinz, Gabriele Schuchter, Katharina Stemberger, Stephanie Taussig, Doris Weiner

Inszenierung: Emmy Werner
Bühne: Elsa Prochazka
Kostüme: Birgit Hutter
Lichtdesign: Konrad Lindenberg
Digitale Projektion: Gerald Rossbacher

 
„… Ich habe es mir also erlaubt, einen Don Juan unserer Zeit zu schildern. Scheinbar gehört zwar auch dieser Don Juan bereits der Vergangenheit an, denn er starb während der großen Inflation 1919–23, also in einer Zeit, in der sich im banalsten Sinn alle Werte verschoben haben. Es ist aber nur eine scheinbar vergangene Zeit, denn von einer etwas höheren Warte aus gesehen, leben wir noch immer in der Inflation, und es ist nicht abzusehen, wann sie zu Ende gehen wird …
Don Juan sucht immer die Vollkommenheit, also etwas, was es auf Erden nicht gibt. Und die Frauen wollen es ihm, und auch sich selbst, immer wieder beweisen, dass er alles, was er sucht, auf Erden finden kann. Erst da sie es schaudernd ahnen, dass er nicht das Leben sucht, sondern sich nach dem Tode sehnt, schrecken sie vor ihm zurück. Die tragische Schuld des Don Juan ist, dass er seine Sehnsucht immer wieder vergisst oder gar verhöhnt, und so wird er zum zynischen Opfer seiner Wirkung, aber nicht ohne Trauer.“ (Ödön von Horváth)
Horváth schildert Don Juans Reise durch die Zeit der Inflation des Geldes, der Moral, der Wertvorstellungen; durch eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, der radikalen Veränderungen. Verändert findet der Kriegsheimkehrer auch die Frauen. Immer noch voll Sehnsucht nach dem metaphysischen Verführer, doch inzwischen mehr und mehr Verführerinnen als Verführte, mehr und mehr bereit zu nehmen als genommen zu werden.
Horváths magische Schilderungen der kleinen zwischenmenschlichen Verletzungen verbinden sich in diesem Schauspiel aus dem Jahr 1935 zu einem großen Entwurf über schicksalsträchtige Jahre.

 
Pressestimmen

Emmy Werner inszenierte klar, streng, tonsicher. Konturenspiel, Schattenspiel, exaktes Sprechspiel. Helmut Berger bleibt als Titelheld der einzige Mann auf der Bühne. Gut gewählt! Kein selbstbewusster Gigolo, Aufreißer, kein Verstörter. Fast drei Dutzend Frauenrollen teilen sich in raschem Wechsel zehn von Birgit Hutter in alle Blicke auf sich ziehende Kostüme gekleidete Damen: Babett Arens, Gabriela Bruckner, Susanne Holl, Sandra Knoll, Jaschka Lämmert, Johanna Mertinz, Gabriele Schuchter, Katharina Stemberger, Stephanie Taussig, Doris Weiner. Einzig Erni Mangold hat ihr Solo als herrische, unheimliche Großmutter. Die Bühnenhinterwand füllt weißes Linnen aus, auf dem gebogene schwarze Linien ohne erkennbaren Plan langsam voranwachsen; zuletzt ähnelt die Schauwand einer Eisfläche mit Kufenspuren. Auf das Wesentliche, das suggestiv Richtige hat Emmy Werner also die Ballade reduziert vom Hallodri, der seine Braut sitzen gelassen hat, sie als Heimkehrer nach vier Jahren Krieg vergebens sucht – und auf diesem Reuegang wiederum nur Frauen unglücklich zurücklässt. Werner betont diesen Ciruculus vitiosus, indem sie mit diesem Schlussbild am Grab anfangen lässt.
Hans Haider, Die Presse

Emmy Werner inszenierte eine Meditation über die Macht des Begehrens in einem Raum emotionaler Leere. So schwerfällig und absehbar wundgeschossen wälzt sich dieses verstörte Menschenverführungskind über die ausgeräumte Bühne der Architektin Elsa Prochazka, dass man rechtens argwöhnt: Dieses Bild von Mann schwankt durch ein Nichts von Traum. Und dazwischen singt und webt und flattert eine zerschossene Seelenwundmusik, verdichtet sich zwischen Abblenden zu einem fuchsteufelswindigen Fauchen und Beißen – und lässt diesen wehen, welken Casanova der Inflationszeit schließlich über dem Grabgestell der toten Geliebten zusammensinken. Das Grab, augenzwinkert Regisseurin Emmy Werner, muss leer sein. Diese Mitte ist der Raum, durch den das fatale Begehren, diese wehleidige Wechselfolge von Absichtserklärungen und Täuschungsmanövern im kahlen Umraum vulgärer Kriegsgewinnlerinnen und sentimentaler Groschenromanweiber hindurch muss. Lange, lange nicht mehr hat man im Volkstheater einen derart riskanten Mut zur formalen Gestaltung erblickt: ein keusches, wunderliches Konzept; ein todtrauriger Liebestraum.
Ronald Pohl, Der Standard

Emmy Werner hat sich dieses selten aufgeführten Stücks angenommen und allen widrigen Umständen zum Trotz eine sauber gearbeitete Premiere herausgebracht, die zum Besten zählt, was in den letzten Jahren am Volkstheater das Bühnenlicht erblickt hat, In einer ästhetisch avancierten Ausstattung mit genau arbeitenden Darstellern. Helmut Berger übernahm kurzfristigst die Titelrolle (für den erkrankten Ludwig Hirsch) und besticht nun als gebrochener Mann, ein verführter Verführer, der von einer Enttäuschung in die nächste taumelt. Erni Mangold als Großmutter der verlorenen Braut bietet eine grandiose Horváth-Figur. In mehreren Frauenrollen brillieren in einem ganz stillen, zurückgenommenen Spiel Babett Arens, Gabriele Schuchter und Katharina Stemberger. Die Architektin Elsa Prochazka entwarf einen stilisierten Bühnenraum mit an Alberto Giacometti gemahnenden Eisenrohrmöbeln. Ein leiser, großer Theaterabend im Volkstheater.
Reinhold Reiterer, Salzburger Nachrichten

Ohne Effekthascherei und Querdenkerei inszenierte Emmy Werner Horváths Nachkriegsschauspiel für einen reifen Mann und elf Frauen.
Meeresrauschen kündigt die suche von Horváths Frauenverführer nach dem weiblichen Ideal an. Aber es sind mehr die Frauenschmerzen in einer vom Krieg ausgezehrten, männerschwachen Gesellschaft, die da bedrohlich nahe an die Rampe kommen. Er wird zum ausgebeuteten Frauenausbeuter. Helmut Berger durchwandert die von weiblicher Präsenz dominierten Gefilde mit der nonchalanten Art eines abgelegten Liebhabers im Trenchcoat, der fehl am Platz zu sein scheint.
Thomas Gabler, Kronenzeitung

In jedem Fall hervorzuheben ist die Leistung von Erni Mangold, die der Rolle der Großmutter ihre ganze Persönlickeit lieh und dem Publikum packende Momente schenkte. Ebenfalls gelungen die „wellblechartige“ Klanginstallation zwischen den einzelnen Szenen, die jene Art von Liebe, die nichts außer Leiden schafft, in kühle Töne hüllte. Emmy Werners Regiekonzept verzichtet auf lästige Bühnen-Umbauarbeiten, dank der schlichten und genialen Bühnenästhetik von Elsa Prochazka.
Christine Dobretsberger, Wiener Zeitung

Das Bühnenbild der Architektin Elsa Prochazka lässt keinen Naturalismus zu: Mit Objekten und Möbeln aus metallenen Rahmen und einem weißen Bühnenprospekt, der sich im Laufe des Abends mit schwarzen Linien füllt, ist es ein Kunstraum. Die leicht distanzierte Spielweise, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von den beteiligten Schauspielern eingeschlagen wird, verhindert Aufkommen von Sentimentalität. Helmut Berger ist ein sehr zurückhaltend agierender, leiser, melancholischer Don Juan, der als Projektionsfläche der Damen dient. Emmy Werner gibt einem elfköpfigen Damenensemble Gelegenheit, in zahllosen Rollen zu punkten. Neben Babett Arens, Erni Mangold, Katharina Stemberger und Gabriele Schuchter machen auch die Volkstheater-Debütantinnen Sandra Knoll und Stephanie Taussig auf sich aufmerksam. Eine sensible Produktion.
APA/Kultur

Mit der Kunstkeule erschlagen. „ Don Juan kommt aus dem Krieg“ wird gern als ‚reifes’ Stück Horváths bezeichnet; allerdings ist es auch nicht unbedingt sein spannendstes Werk. Emmy Werner versuchte gar nicht erst, daran etwas zu ändern.
Phasenweise hat man das Gefühl, dass ein übergreifendes Konzept fehlt. Wirklich schwer macht’s dem Ensemble – und auch der Regie – das Büh-nenbild. Das sieht aus, als ob jemand zum ersten Mal im Paint-Programm experimentiert.
Caro Wiesauer, Kurier

Eine unspektakuläre Inszenierungsarbeit in einer ästhetisch avancierten Ausstattung mit genau arbeitenden DarstellerInnen. Herbert Berger besticht als gebrochener Mann, ein verführter Verführer, der von einer Enttäuschung in die nächste taumelt. Erni Mangold als Großmutter bietet eine grandiose Horváth-Figur, in mehreren Rollen brillieren in einem ganz stillen, zurückgenommenen Spiel Babett Arens, Gabriele Schuchter und Katharina Stemberger. Die Architektin Els Prochazka entarf einen stilisierten Bühnenraum mit an Alberto Giacometti erinnernden Einsenrohrmöbeln.
Ein leiser, großer Theaterabend im Wiener Volkstheater.
Reinhold Reiterer, Oberösterreichische Nachrichten

Produktionen D