2002/03
Haupthaus |
Don Juan kommt aus dem Krieg Premiere 23. Februar 2003 Mit Inszenierung: Emmy Werner
Emmy Werner inszenierte klar, streng, tonsicher. Konturenspiel, Schattenspiel, exaktes Sprechspiel. Helmut Berger bleibt als Titelheld der einzige Mann auf der Bühne. Gut gewählt! Kein selbstbewusster Gigolo, Aufreißer, kein Verstörter. Fast drei Dutzend Frauenrollen teilen sich in raschem Wechsel zehn von Birgit Hutter in alle Blicke auf sich ziehende Kostüme gekleidete Damen: Babett Arens, Gabriela Bruckner, Susanne Holl, Sandra Knoll, Jaschka Lämmert, Johanna Mertinz, Gabriele Schuchter, Katharina Stemberger, Stephanie Taussig, Doris Weiner. Einzig Erni Mangold hat ihr Solo als herrische, unheimliche Großmutter. Die Bühnenhinterwand füllt weißes Linnen aus, auf dem gebogene schwarze Linien ohne erkennbaren Plan langsam voranwachsen; zuletzt ähnelt die Schauwand einer Eisfläche mit Kufenspuren. Auf das Wesentliche, das suggestiv Richtige hat Emmy Werner also die Ballade reduziert vom Hallodri, der seine Braut sitzen gelassen hat, sie als Heimkehrer nach vier Jahren Krieg vergebens sucht – und auf diesem Reuegang wiederum nur Frauen unglücklich zurücklässt. Werner betont diesen Ciruculus vitiosus, indem sie mit diesem Schlussbild am Grab anfangen lässt.
Emmy Werner inszenierte eine Meditation über die Macht des Begehrens in einem Raum emotionaler Leere. So schwerfällig und absehbar wundgeschossen wälzt sich dieses verstörte Menschenverführungskind über die ausgeräumte Bühne der Architektin Elsa Prochazka, dass man rechtens argwöhnt: Dieses Bild von Mann schwankt durch ein Nichts von Traum. Und dazwischen singt und webt und flattert eine zerschossene Seelenwundmusik, verdichtet sich zwischen Abblenden zu einem fuchsteufelswindigen Fauchen und Beißen – und lässt diesen wehen, welken Casanova der Inflationszeit schließlich über dem Grabgestell der toten Geliebten zusammensinken. Das Grab, augenzwinkert Regisseurin Emmy Werner, muss leer sein. Diese Mitte ist der Raum, durch den das fatale Begehren, diese wehleidige Wechselfolge von Absichtserklärungen und Täuschungsmanövern im kahlen Umraum vulgärer Kriegsgewinnlerinnen und sentimentaler Groschenromanweiber hindurch muss. Lange, lange nicht mehr hat man im Volkstheater einen derart riskanten Mut zur formalen Gestaltung erblickt: ein keusches, wunderliches Konzept; ein todtrauriger Liebestraum. Emmy Werner hat sich dieses selten aufgeführten Stücks angenommen und allen widrigen Umständen zum Trotz eine sauber gearbeitete Premiere herausgebracht, die zum Besten zählt, was in den letzten Jahren am Volkstheater das Bühnenlicht erblickt hat, In einer ästhetisch avancierten Ausstattung mit genau arbeitenden Darstellern. Helmut Berger übernahm kurzfristigst die Titelrolle (für den erkrankten Ludwig Hirsch) und besticht nun als gebrochener Mann, ein verführter Verführer, der von einer Enttäuschung in die nächste taumelt. Erni Mangold als Großmutter der verlorenen Braut bietet eine grandiose Horváth-Figur. In mehreren Frauenrollen brillieren in einem ganz stillen, zurückgenommenen Spiel Babett Arens, Gabriele Schuchter und Katharina Stemberger. Die Architektin Elsa Prochazka entwarf einen stilisierten Bühnenraum mit an Alberto Giacometti gemahnenden Eisenrohrmöbeln. Ein leiser, großer Theaterabend im Volkstheater. Ohne Effekthascherei und Querdenkerei inszenierte Emmy Werner Horváths Nachkriegsschauspiel für einen reifen Mann und elf Frauen. In jedem Fall hervorzuheben ist die Leistung von Erni Mangold, die der Rolle der Großmutter ihre ganze Persönlickeit lieh und dem Publikum packende Momente schenkte. Ebenfalls gelungen die „wellblechartige“ Klanginstallation zwischen den einzelnen Szenen, die jene Art von Liebe, die nichts außer Leiden schafft, in kühle Töne hüllte. Emmy Werners Regiekonzept verzichtet auf lästige Bühnen-Umbauarbeiten, dank der schlichten und genialen Bühnenästhetik von Elsa Prochazka. Das Bühnenbild der Architektin Elsa Prochazka lässt keinen Naturalismus zu: Mit Objekten und Möbeln aus metallenen Rahmen und einem weißen Bühnenprospekt, der sich im Laufe des Abends mit schwarzen Linien füllt, ist es ein Kunstraum. Die leicht distanzierte Spielweise, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von den beteiligten Schauspielern eingeschlagen wird, verhindert Aufkommen von Sentimentalität. Helmut Berger ist ein sehr zurückhaltend agierender, leiser, melancholischer Don Juan, der als Projektionsfläche der Damen dient. Emmy Werner gibt einem elfköpfigen Damenensemble Gelegenheit, in zahllosen Rollen zu punkten. Neben Babett Arens, Erni Mangold, Katharina Stemberger und Gabriele Schuchter machen auch die Volkstheater-Debütantinnen Sandra Knoll und Stephanie Taussig auf sich aufmerksam. Eine sensible Produktion. Mit der Kunstkeule erschlagen. „ Don Juan kommt aus dem Krieg“ wird gern als ‚reifes’ Stück Horváths bezeichnet; allerdings ist es auch nicht unbedingt sein spannendstes Werk. Emmy Werner versuchte gar nicht erst, daran etwas zu ändern. Eine unspektakuläre Inszenierungsarbeit in einer ästhetisch avancierten Ausstattung mit genau arbeitenden DarstellerInnen. Herbert Berger besticht als gebrochener Mann, ein verführter Verführer, der von einer Enttäuschung in die nächste taumelt. Erni Mangold als Großmutter bietet eine grandiose Horváth-Figur, in mehreren Rollen brillieren in einem ganz stillen, zurückgenommenen Spiel Babett Arens, Gabriele Schuchter und Katharina Stemberger. Die Architektin Els Prochazka entarf einen stilisierten Bühnenraum mit an Alberto Giacometti erinnernden Einsenrohrmöbeln. |