2003/04
Haupthaus |
Elisabeth von England Premiere 2. Mai 2004 Elisabeth von England: Birgit Doll Inszenierung: Jürgen Kaizik Die Wiederentdeckung eines Welterfolgs der dreißiger Jahre. Ein wildbewegtes Geschichtspanorama wird in einer faszinierenden Überblendungstechnik zum Duell zwischen der schillernden Königin Elisabeth I. und dem fanatischen König Philipp II. von Spanien. Die Charaktere der zwischen weiblicher Leidenschaft und modernem, eiskaltem Machtkalkül hin- und hergerissenen Frau und dem fundamentalistischen Dogmatiker auf dem Thron werden psychoanalytisch durchleuchtet. Frei von heroischem Geschichtspathos zeigt die Tragödie der in Hassliebe miteinander verbundenen Herrscher den Umbruch zu einem neuen, zu unserem Zeitalter. Ferdinand Bruckner ist einer der interessanten vergessenen, „Elisabeth von England“ ein Werk, das nicht nur ein falsches Geschichtsbild (nämlich das Meuchelklischee der in Wahrheit liberalen und politisch visionären Elisabeth I.) revidiert, sondern auch Kriegs- und Friedenspolitik in die weibliche Perspektive rückt.
Birgit Doll zeigt die Elisabeth höchst lebendig, mal humorvoll, mal dramatisch schwankend zwischen weibchenhafter Verführungskunst, Strategie und Staats-Interessen. Überzeugend: Lover und Rebell Essex (Christoph von Friedl), sowie Elisabeths Kampf- und heimlicher Lebensgefährte Cecil (Michael Rastl). Trost spendet der zerrissenen, alternden Königin nur ihre Kammerfrau Lady Anne (herzlich, mit witzigem Text: Doris Weiner). Jürgen Kaizik absolvierte recht gekonnt den Balanceakt zwischen filmischer Optik und theatralischer Wirkung in der von starken Farben, Kontrasten lebenden Ausstattung von Andrea Bernd (Bühne) und Erika Landertinger (Kostüme)
Bleibt Elisabeth, bei Bruckner das einzige Wesen aus Fleisch und Blut. Birgit Doll ist diese (sehr einsame) Frau mit ihren Nöten, Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten. Sie darf leiden, lieben, verzweifeln, viele Facetten einer tief verletzten Frau zeigen. Doll spielt auch gegen Bruckners starres Konzept an. Rainer Frieb als Philipp: die bigotte Fratze des imperialen Herrschers; ein sich selbst geißelnder, dem Wahnsinn verfallener Prediger, der sich hinter leeren Worthülsen und klerikaler Macht verschanzt. Gelenkt werden beide Herrscher von Hofschrankzen oder Klerikern, die ganz eigene Kriegsziele verfolgen. Einsame Größe ist da Birgit Doll als Elisabeth I., als „Beth“, „Friedenshexe“: Schön, verliebt und vernünftig in Sachen Krieg („Ich begreife ihn nicht“) ist sie zu Beginn, erstarrt, gealtert und hart nach Bedrohung der eigenen Person, um dann an dieser Härte zu zerbrechen.
Bühnenbildnerin Andrea Bernd hat die Bühne nur spärlich möbliert, die wenigen Utensilien wecken Assoziationen ans blutige 20. Jahrhundert. Auch Kostüme und jazzige Hintergrundsmusik zitieren großteils die Entstehungszeit von Ferdinand Bruckners Historiendrama. 1930 wurde es in Berlin uraufgeführt, zeitlich nahe zu Hitlers kometenhaftem Aufstieg.
Ferdinand Bruckner hat die historische Figur der Elisabeth von England gegen Ende der 20er Jahre in seinem Stück in den Mittelpunkt eines Dramas gestellt, in dem zwei Prinzipien aufeinanderprallen : Krieg und Frieden, Mann und Frau – die nach Frieden strebende, Fortschritt und Wohlstand fördernde Königin, die die Vernunft über ihre Gefühle stellt, den Krieg als destruktiv und sinnlos erkennt und den kriegstreiberischen Technokraten in ihrem Umfeld mutig die Stirn bietet, und der kriegshetzende, religiöse Fanatiker Philipp von Spanien. Packend gerät Rainer Frieb die Studie des in religiösem Wahn delirierenden Philipp. Christoph von Friedl gibt einen jugendlich überschenglichen und auf seinen Vorteil bedachten Essex und bleibt einem in Erinnerung.
Michael Rastl stattet Elisabeths Kanzler Cecil mit schöner, trauriger Würde aus. Andreas Patton gibt den Philosophen Francis Bacon als geschmeidigen Intellektuellen. Robert Hauer-Riedl hat als Finanzminister Gresham nur ein mitleidiges Lächeln für die übrig, die glauben, Politik wäre etwas andres als eine simple Schlussrechnung. Birgit Doll ist Elisabeth, zwischen weiblicher Irrationalität und politischer Intelligenz, von Zeit zu Zeit durchaus „hexenhaft“, unstet, dennoch auch glaubhaft als vernünftige, fortschrittliche Denkerin. Rainer Frieb zeigt das hässliche Gesicht des Fanatismus. Aus einer breiten und bemerkenswert stimmigen Männerbesetzung ragen Andreas Patton als opportunistischer Bacon und Michael Rastl als aufrechter Cecil heruas. Viel Beifall. |