2002/03
Forum U3 |
fake reports Uraufführung Koproduktion mit dem steirischen herbst/kunsthaus muerz Premiere 16. Oktober 2002 Mit Inszenierung: Tina Lanik Im sechstimmig mäandernden Redefluss führt die Autorin die trügerische Durchmischung verschiedener Wahrnehmungs- und Realitätsebenen vor: erstellte „Wahrheiten“, Empfindungen, Berichte, die mit Bedacht auf die Kolportage ausschließlich in der Möglichkeitsform formuliert sind.
Kathrin Röggla hat über den Angriff auf das World Trade Center und über mediale Wirklichkeiten eher einen auf sechs Rollen verteilten Essay geschrieben. Die junge Regisseurin Tina Lanik hat in dieser Uraufführung redlich versucht, Bewegung in eine ambitionierte Volkstheater-Truppe zu bringen. Nicht nur der Wortschwall, der Floskelüberschuss und das Tempo, sondern auch kunstvoll gestyltes Theater wird da im Untergrund des Museumsquartiers zelebriert. Die zwischen Betroffen(seiend)en, Medienvertretern und Intellektuellen angesiedelten Rollen werden vom Ensemble engagiert interpretiert. Leopold von Verschuer muss man hervorheben. Er bringt anarchistisches Flair ein. Kathrin Röggla ist eine Monteuerin, hört seit je genau auf die Sprachteile, die rund um sie produziert werden, eignet sie sich an, dreht sie durch ihren eigenen Fleischwolf und setzt sie neu zusammen. Das hat sie nun auch für ihren ersten Theatertext getan. Sechs Figuren erstatten Bericht über Gefühle und Beobachtungen, sitzen gebannt vor dem Fernseher, fürchten sich, reden vom Krieg, von Anthrax, vom Terror, von der Politik. Das Volkstheater und das Festival „steirischer herbst“haben mit dieser Koproduktion in einem häßlichen Raum einer Wiener U-Bahn-Station ein kleines, streckenweise urkomisches Wunder geschafft. Die junge Regisseurin Tina Lanik hat mit sechs Schauspielern diese „fake reports“ leichthändig und straff in Szenen gegossen. Ohne viel Drumherum lässt sie Rögglas Text sprechen, manchmal auch passnd im Chor. Und dieser Text ist nun auf raffinierte Weise beides, einerseits hochartifiziell, andererseits ist er unser aller Text, ein aufgeregtes, hilfloses, oft genug dummes Stimmengewirr mit hohem Wiedererkennungswert Schön, wie die Schauspieler Leopold von Verschuer und Erwin Ebenbauer passiven Widerstand gegen den Text leisten und wie Bühnenbildnerin Barbara Aigner den U3 - Raum in seiner ganzen Trostlosigkeit zur Gelung bringt. |