2002/03
Forum U3

fake reports
von Kathrin Röggla

Uraufführung
Auftragsstück

Koproduktion mit dem steirischen herbst/kunsthaus muerz

Premiere 16. Oktober 2002

Mit
Erwin Ebenbauer
Christian Kainradl
Raimund Merker
Volker Schmidt
Günther Wiederschwinger
Leopold von Verschuer

Inszenierung: Tina Lanik
Bühne und Kostüme: Barbara Aigner

 
Es gibt eine Realität, die zu dramatisch ist, so dass wir sie nicht als Realität annehmen können.“ (Slavoj Zizek). Um sie annehmbar zu machen, müssen wir sie erst fiktionalisieren. Davon handelt „fake reports“, das erste abendfüllende Stück der 1971 in Salzburg geborenen Autorin Kathrin Röggla, die den Prozess einer akuten Fiktionalisierung selbst miterlebt hat: in New York, Ground Zero, September 11th 2001. Röggla geht in ihrer dramatischen Auseinandersetzung mit dem dramatischen Ereignis der Frage nach, „wie wir realität mithilfe der muster und vorstellungen produzieren, die wir von der wirklichkeit haben, und wie diese realität dann auf uns zurückschlägt“. Sechs Schauspieler berichten, was sie gehört haben, verteilen Informationen. Sie erregen Aufmerksamkeit. Sie veröffentlichen Statements. Sie ziehen Vergleiche. Sie zählen Tote, Verletzte und Vermisste. Sie lügen, kalkuliert oder schockbedingt. Es geht um die kommunikativen Gesten, die unserer Unsicherheit und Panik zu Grunde liegen, um die gesellschaftlichen Riten, mittels derer man diese zu bändigen sucht; nicht nur darum, wie Diskurse – auch jenseits der Verständigungsabsicht - funktionieren, sondern auch wie sie ihrerseits Realität produzieren, besonders wenn „eine politik der angst entsteht“ (Röggla). Ob als Prosa, Hörspiel, Drama oder Hypertext – stets verhandeln Rögglas Texte das, was man lapidar „Gegenwart“ nennt. Schon in den Romanen „Niemand lacht rückwärts“ (1995), „Abrauschen“ (1997) und „Irres Wetter“ (2000) wurde deutlich, dass es derzeit kaum eine andere Autorin gibt, die so nah am „Jetzt“ dran ist, in ihrer Sprache so vehement ein Gefühl für die Zeit entwickelt und dieses Zeitgefühl „musikalisch“, experimentell und ausgesprochen reflektiert umzusetzen versteht.

 
Pressestimmen

Im sechstimmig mäandernden Redefluss führt die Autorin die trügerische Durchmischung verschiedener Wahrnehmungs- und Realitätsebenen vor: erstellte „Wahrheiten“, Empfindungen, Berichte, die mit Bedacht auf die Kolportage ausschließlich in der Möglichkeitsform formuliert sind.
M. Affenzeller, Der Standard

Kathrin Röggla hat über den Angriff auf das World Trade Center und über mediale Wirklichkeiten eher einen auf sechs Rollen verteilten Essay geschrieben. Die junge Regisseurin Tina Lanik hat in dieser Uraufführung redlich versucht, Bewegung in eine ambitionierte Volkstheater-Truppe zu bringen.
P. Jandl, NZZ

Nicht nur der Wortschwall, der Floskelüberschuss und das Tempo, sondern auch kunstvoll gestyltes Theater wird da im Untergrund des Museumsquartiers zelebriert.
T. Gabler, Kronenzeitung

Die zwischen Betroffen(seiend)en, Medienvertretern und Intellektuellen angesiedelten Rollen werden vom Ensemble engagiert interpretiert. Leopold von Verschuer muss man hervorheben. Er bringt anarchistisches Flair ein.
C. Wiesauer, Kurier

Kathrin Röggla ist eine Monteuerin, hört seit je genau auf die Sprachteile, die rund um sie produziert werden, eignet sie sich an, dreht sie durch ihren eigenen Fleischwolf und setzt sie neu zusammen. Das hat sie nun auch für ihren ersten Theatertext getan. Sechs Figuren erstatten Bericht über Gefühle und Beobachtungen, sitzen gebannt vor dem Fernseher, fürchten sich, reden vom Krieg, von Anthrax, vom Terror, von der Politik. Das Volkstheater und das Festival „steirischer herbst“haben mit dieser Koproduktion in einem häßlichen Raum einer Wiener U-Bahn-Station ein kleines, streckenweise urkomisches Wunder geschafft. Die junge Regisseurin Tina Lanik hat mit sechs Schauspielern diese „fake reports“ leichthändig und straff in Szenen gegossen. Ohne viel Drumherum lässt sie Rögglas Text sprechen, manchmal auch passnd im Chor. Und dieser Text ist nun auf raffinierte Weise beides, einerseits hochartifiziell, andererseits ist er unser aller Text, ein aufgeregtes, hilfloses, oft genug dummes Stimmengewirr mit hohem Wiedererkennungswert
E. Menasse, FAZ

Schön, wie die Schauspieler Leopold von Verschuer und Erwin Ebenbauer passiven Widerstand gegen den Text leisten und wie Bühnenbildnerin Barbara Aigner den U3 - Raum in seiner ganzen Trostlosigkeit zur Gelung bringt.
W. Kralicek, Falter

Produktionen F