1999/2000
Haupthaus |
Familiengeschichten. Belgrad Premiere 9. April 2000 Nadezda, Ein Kind mit Tic: Anna Franziska Srna Inszenierung: Stephanie Mohr Biljana Srbljanovics Erfolgsstück „Familiengeschichten. Belgrad“ ist aktueller denn je; es ist in ihrer schnörkellosen Einfachheit der Sprache und der Situationen ein eindringliches Stück zur europäischen Zeitgeschichte.
Bilder, die man längst vergessen oder verdrängt hat, kehren plötzlich zurück. Keiner versucht den anderen zu verstehen. Eher wird getötet. In der Übertreibung liegt mitunter Komik. Grausamkeit wechselt mit Momenten der Hoffnung. Der Sohn sucht sein Glück in der Fremde. Ob er es finden wird, ist fraglich. Denn Belgrad ist überall. Stephanie Mohr reiht sich mit dieser Inszenierung unter die hoffnungsvollen jungen Regisseurinnen. Christine Tritthart zeigt uns einen tristen und chaotischen Hinterhof. Aus dem guten Ensemble (Anna Franziska Srna, Fritz Hammel, Isabel Martinez, Günter Franzmeier) ragen die beiden Letztgenannten noch hervor. Erwachsene spielen Kinder, die Erwachsene spielen. Ein kompliziertes Geflecht zwischen Sein und Schein. Alles soll Spiel sein, bei dem sich die vier Personen mörderisch austoben können, und alles soll blutiger Ernst sein, bei dem man sich gewalttätig zusetzt und sich aufreibt. …Stephanie Mohr kann nicht vermitteln, wie sich aus dem scheinbar harmlosen Spiel die brutale Zuspitzung ergibt. …Anna Franziska Srna, Fritz Hammel, Isabel Martinez und Günter Franzmeier geben ein engagiert agierendes Quartett ab, das schnell von gemütlich auf brutal umschalten kann. Großartiges leisten die vier Schauspieler. Fritz Hammel ist vor allem der autoritäre, zur Gewalt neigende Vater, der nach unten tritt und nach oben kuscht, Isabel Martinez spielt die unterwürfige, drangsalierte Ehefrau und Mutter. Günter Franzmeier als ungehorsames Kind läßt den hohen Grad an psychischer Deformation klar zutage treten. Anna Franziska Srna spielt ein traumatisch gestörtes, sprachloses Kind, das sich wie ein Hündchen nach Geborgenheit sehnt und doch meist nur Schläge abbekommt. Absurdes Theater läßt grüßen, die politische Parabel, hingegen nicht. Die Albträume aus dem Balkan bringen uns keine Erkenntnisse, sie strengen nur an. |