1998/99
spielbar 1999/2000 Bezirke |
Das Fräulein Pollinger Nach der Bühnenversion von Traugott Krischke, basierend auf dem Roman „Sechsunddreißig Stunden“ von Ödön von Horváth Premiere 2. Juni 1999 (spielbar), 24. November 1999 (Bezirke) Mit Inszenierung: Michael Gruner Sie hatte halt so ihre Geschichten, das Fräulein Pollinger aus der Schellingstaße in München, sie „fiel bei den besseren Herren nirgends besonders auf, denn sie hatte nur eine Durchschnittsfigur und ein Durchschnittsgesicht, nicht unangenehm, aber auch nicht hübsch, nur nett“. Aber an jenem schwülen Augustabend des Jahres 1928 fällt Agnes Pollinger dem Eugen Reithofer besonders auf. Vor dem Arbeitsamt in der Thalkirchner Straße. Er ist seit zwei Monaten ohne Arbeit, sie seit fünf. Und damit beginnt die traurige Geschichte eines Münchner Mädchens, das sich ein wenig zu oft mit den Männern einläßt. Chris Pichler ist ein Horváth-Fräulein wie aus dem Bilderbuch: zart, zerbrechlich und mit großen Augen, aus denen die Sehnsucht nach genau dem großen Leben blinzelt, das für sie stets ein Traum bleiben wird. Sie scheint prädestiniert als Beute ruchloser Machos und erbarmungsloser Spießer, die alle von Fritz Hammel gespielt werden. Faszinierend die Bandbreite seiner Verwandlungskunst. Michael Gruner hat die vom Horváth-Herausgeber Traugott Krischke hergestellte dramatisierte Fassung atmosphärisch dicht für das Volkstheater inszeniert. Chris Pichlers Agnes ist ein merkwürdig starkes Geschöpf. Sie will sich nicht unterkriegen lassen, sondern Selbständigkeit bewahren. Sie verkauft ihren Körper – nicht aber ihre Seele. Züge von Resignation und Enttäuschung werden sichtbar, aber noch ist sie bereit, sich positiv überraschen zu lassen. Fritz Hammel spielt wandlungsfähig alle Männerfiguren – gute und sympathische, gewissenlose und abscheuliche: ein Querschnitt durch Horváths Männerrepertoire. Fritz Hammel spielt ziemlich witzig die diversen Mannsbilder, denen das Fräulein Pollinger begegnet; der gebrochene Lolita-Charme, mit dem Chris Pichler die Titelrolle ausstattet, macht Lust auf mehr. |