1999/2000
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Hermes Uraufführung Premiere 28. Novenber 1999 Gastpiele in Konstanz und Linz, 2000 Mit Inszenierung: Frédéric Lion In seinem Text „Hermes“ stilisiert Franzobel den Menschen und Aktionskünstler Phettberg zum „personifizierten kollektiven Bewußtsein der Österreicher“. Und das Erstaunliche daran: Es funktioniert! Vera Borek, eine Krone aus Zeitungspapier auf dem Haupt, stellt – Regie Frédéric Lion – diese Kunstfigur Hermes dar. Da sie selbst längst zur Kunstfigur geworden ist, gelingt ihr das überzeugend. Sie verströmt Müdigkeit und Todessehnsucht und das unstillbare Verlangen, geliebt zu werden.
Vera Borek spielt diese verzweifelte, poetische, sanfte Gestalt. Kein offensichtlich ausgestopfter Akteur, wie es die Regieanweisung will. Die Kunstfigur „Phettberg in uns“ steht uns in weiblicher Gestalt, mit Zeitungspapier gekrönt, gegenüber. Die Sintflut draußen, dieses glatte Gesellschaftsparkett. Borek beäugt es ab und zu mit dem Feldstecher – ein Nichtschwimmer, der vom Schwimmen träumt. So eine Schauspielerin wie Vera Borek ist natürlich ein Glücksfall. Sie verbreitet mit kurzen Blicken, fast unmerklichen Bewegungen der Augenbrauen, leichter Modulation der Stimme eine unglaubliche Maßlosigkeit des Erbärmlichen. Eine namenlose Traurigkeit verbreitet sich und eine groteske Witzigkeit, die darin kulminiert, daß diese menschliche Katastrophe alle realen Katastrophen überlebt. Österreichische Apokalypsen haben eben ihren eigenen Humor. Aus dem wirklichen Drama Phettbergs hat der Dichter Franzobel nun ein ästhetisches gemacht. „Phettberg. Eine Hermes-Tragödie“ ist sein bestes Stück. Er formte es aus authentischem Material, gab ihm Rhythmus und Melodie. Selten darf man so berechtigt wie hier behaupten: Ein Schriftsteller wuchert auch mit fremden Pfunden. Während einer neuen Sintflut nimmt die Kunstfigur Phettberg ihren Vermächtnismonolog an die Überlebenden auf. Vera Borek schmeckt die Suada sehr fein ab, sie läßt sich die Sätze förmlich auf der Zunge zergehen. |