1999/2000
Haupthaus |
Iphigenie auf Tauris Premiere 26. September 1999 Iphigenie: Gundula Rapsch Inszenierung: Antje Lenkeit Das Volkstheater kann erneut mit einer hinreißenden Besetzung der Titelrolle aufwarten. Gundula Rapsch ist eine eindrucksvolle Iphigenie. Sie spricht die großen Worte Goethes ohne Pathos, aber mit der spürbaren inneren Beteiligung. Sehr überzeugend Thomas Evertz als Orests geschickt argumentierender Freund. Tadellos macht Thomas Stolzeti seine Sache als Arkas. Das spartanische Bühnenbild ist von bezwingender Schlichtheit und zeitlos archaisch. Nicht zu vergessen auch die Musik von Peter Kaizar, die zur Atmosphäre beiträgt und den zentralen Konflikt unterstreicht.
Die Regisseurin hat den Versuch unternommen, die vielen anderen Handlungsstränge bloßzulegen: den Überlegenheitswahn der Griechen; das elende Schicksal der Frauen als willenloses Eigentum der Männerwelt; die Neigung zwischen der Priesterin und ihrem Bruder, die ans Inzestuöse streift. Die Iphigenie der Gundula Rapsch darf, und das ist gut, nicht nur edel sein. Aber was ihr da an Widerborstigkeit, sexueller Erregbarkeit, dann wieder leicht gestörter Verhuschtheit abgefordert wird, ist kaum spielbar. Gundula Rapsch muß als friedvolle „Iphigenie“ sehr stark und sehr allein auf der Bühne sein. Umso stärker der Ausdruck wahrer Verzweiflung, tiefer Emotionalität, schlummernder Leidenschaft in ihrem Gesicht. Iphigenie ist die hochklassische Erzieherin, mit deren Tugend es sich nicht spaßen läßt. Sie ist die Priesterin der Artemis; noch viel mehr aber ist sie das anmutig gebogene Sprachrohr der klassischen Weimarer Sittlichkeit. Sie spricht ihre klar geschauten Verse, um ihre Gastgeber wie mit Pfeilen zu spicken. Gundula Rapsch erspielt vor allem Iphigeniens Menschlichkeit. Aber auch den Zorn einer Fürstin vermag sie angemessen zu vermitteln. Häufig gelingt ihr das größte Kunststück der Deklamation, wenn die Dichtung ihr über die Lippen kommt, als hätte sie den Gedanken eben erst gefaßt und ausformuliert. Volkstheater, quo vadis? Goethes humanistische ‚Iphigenie auf Tauris’ in der Regie von Antje Lenkeit ist – spricht man es ebenso schonungslos aus, wie die Inszenierung selbst ihre Blößen ausstellt – eine theatralische Bankrotterklärung. Altmodischer, verstaubter, unspektakulärer geht es kaum. |