1997/98
Haupthaus |
Irma la Douce Premiere 31. März 1998 Mit Musiker: Inszenierung und Choreographie: J. Michael Fields Die Geschichte von der süßen Irma begann 1956 die Bühnen zu erobern. In diesem Jahr fand die Uraufführung im kleinen Pariser Theatre Gramont mit Collette Renard in der Titelrolle statt. Die Pariser, die Musicals bisher gemieden hatten, stürmten die Show und und Irma la Douce lief sensationelle vier Jahre en suite. 1958 hatte die englische Fassung im Londoner Lyric Theatre mit Elisabeth Seal als Irma Premiere. Regie führte kein geringerer als Peter Brook. Auch in London schlug das französische Musical alle Rekorde was Laufzeit und Besucherzahlen betraf. 1960 kam es im New Yorker Plymouth Theatre heraus, erhielt hymnische Kritiken und einen Tony Award für Elisabeth Seal als beste Musical-Darstellerin. 1963 drehte Billy Wilder seinen Irma la Douce-Film mit Shirley MacLaine und Jack Lemmon. Die erste Wiener Aufführung war 1966? im Theater an der Wien zu sehen, mit… Irma la Douce stammt aus einer Zeit, die für uns bereits nostalgisch geworden ist: Paris war für die meisten ein unerreichbarer Sehnsuchtsort, das kriminelle Milieu schien reizvoll unbürgerlich und die käufliche Liebe prickelnd und exotisch, die Darstellung korrupter Polizisten und Richter geradezu gesellschaftskritisch. Wo immer damals ein Zipfel der bürgerlichen Wohlanständigkeit gelüftet wurde, schien das Leben darunter zu pulsieren, schien aufregend und interessant. Heute wirkt die Geschichte nicht mehr frech und amüsant anrüchig, sondern unschuldig. Doch diese Unschuld, die uns verloren gegangen ist, scheint uns – durch die rosarote Brille der Nostalgie betrachtet – reizvoller als all unsere Auf- und Abgeklärtheiten. Musikalisches Unterhaltungstheater ist beliebt, und so war das Wiener Volkstheater am Dienstag gerammelt voll, als „Irma la Douce“, der von Billy Wilder 1963 verfilmte Musicalhit, seine freundlich angenommene Premiere erlebte. Ludwig Hirsch hat sich den Liebhaber Nestor, der sich auch in den reichen alten Oscar verwandelt, ganz auf seine Persönlichkeit zugeschnitten und trumpft einfach als Publikumsliebling auf, und Thomas Stolzeti ist als Kommentator der Geschichte mit bekanntem Nachdruck unübersehbar und meist sehr gut.
Die Inszenierung mit ihrer durchaus witzigen, gewollt-unvollkommenen Ausstattung hätte in dieser Form herrlich ins Metropol gepaßt. Im großen Raum des Volkstheaters wirkte sie fast schäbig.. Ludwig Hirsch legte den verkrachten Studenten Nestor mehr melancholisch als komisch an. Seine verzweifelte Eifersucht auf sich selbst kam überzeugend lustig an. Nicole Ansaris Professionelle war fast zu professionell. Das Ensemble hielt sich tapfer. Höfliche Aufnahme vom Premierenpublikum für ein sehr liebenswertes Stück, das im enorm engagierten Spielplan des Volkstheaters irgendwie unbegründet wirkt. Ein schönes Episödchen ist der Episodenerzähler selbst. Thomas Stolzetis „Bob“ erzählt von Irma mit der siebensüßen Gespreiztheit des heimlichen Frauenmörders, ein spätes, leise gurgelndes Echo auf eine andere Schreckensfigur: den Monsieur Verdoux von Charlie Chaplin. Das Bühnenbild von Walter Schwab ist ein mustergültiges Beispiel für eine atmosphärisch dichte Reduktion und hat zudem den Vorteil, den Spielablauf nicht zu behindern, sondern im Gegenteil dem Fluß der Handlung und für das Ineinandergleiten der Schauplätze äußerst förderlich zu sein. Ludwig Hirschs Nestor ist eine Nestroy-Raimund-Figur, mehr resignativ als komisch. Der Weinberl aus dem „Jux“, der so gern einmal ein „verfluchter Kerl“ sein möchte, und der Habakuk aus dem „Alpenkönig“, der „zwei’ Jahr in Paris“ war, sind zusammengeflossen im sympathisch kaputten Nestor – dem gescheiterten Juristen und Börsianer wider Willen, dessen Schmäh, befeuert von der Liebe zu seiner Irma (Nicole Ansari), die aberwitzigsten Blüten treibt. Alles Mühen und Singen und Tanzen, die ganze gute Laune und der breite Klangteppich nutzen wenig. Wozu das harmlose Theater? Dem Regisseur gelang es höchstens ansatzweise, Funken zu schlagen. Inszenierung und Choreographie lassen an Aufdringlichkeit nichts zu wünschen übrig, die Aufführung ist von aufreizender Aufgekratztheit. |