1988/89
Bezirke, Haupthaus |
Jeanne oder Die Lerche Premiere Bezirke 3. November 1988 Mit Inszenierung: Erwin Ebenbauer Jeanne d’Arc wird zu Rouen der Prozeß gemacht. Sie wird vom Bischof Cauchon, dem Vorsitzenden, vom Ankläger und vom Inquisitor verhört und von Bruder Ladvenu verteidigt. Der englische Oberbefehlshaber Graf Warwick sorgt dafür, daß der Prozeß im Sinne der englischen Regierung geführt wird. Angeklagt ist Jeanne als Ketzerin, und wenn sie verurteilt wird, dann wird sie verbrannt. Und sie muß verurteilt werden, das verlangt die englische Regierung ebenso wie die Kirche. Es sei denn, sie widerruft. Widerruft, daß Gott ihr durch den Erzengel Michael befohlen hat, Frankreich zu retten und den französischen Thronerben Charles zum König krönen zu lassen. Es ist ein ungleicher Kampf zwischen einem einsamen kleinen Mädchen und den Machtapparaten von Staat und Kirche. Und Jeanne kann ihn nicht gewinnen. Sie kann nur entscheiden, wie sie ihn verlieren will: indem sie sich unterwirft oder indem sie einen schrecklichen Tod auf sich nimmt. Doch Jean Anouilh erspart uns den Scheiterhaufen. Für ihn ist Jeanne eine kleine Lerche, die sich immer aufs neue und zu allen Zeiten in den blauen französischen Himmel erhebt; ein Symbol für Mut und Fröhlichkeit. Anouilh, heißt es, sei veraltet, aus der Mode gekommen. Das gilt für seine unpathetischen Historien nur mit Maßen. Gewiß, das Theater auf dem Theater hat sich verbraucht, die Sentimentalität nagt an der Ironie, doch hat der Autor, ein Schneidersohn, den Stoff nicht ungeschickt verarbeitet. Der Prozeß gegen Jeanne ist eine Theaterprobe. Es geht nicht alles der Reihe nach, den Schlusspunkt setzt nicht der Scheiterhaufen. Am Ende wird die frische Heroine, ein bisschen Patriotismus darf sein, in ihrer Glorie bei der Krönung in Reims gezeigt. Erwin Ebenbauers Inszenierung trägt solcher Freundlichkeit Rechnung. Gutgelaunt serviert sie die Szenen, die Darsteller stellen sich an, als wüssten sie sich nichts besseres zu tun.
Jean Anouilhs „Lerche“ erweist sich als alter Kapaun, als überstandiger Zwitter aus Salongeschwätz und Formspielerei. Schade um die gute Produktion. Es war eine gute Idee, Schillers Version nun die Jeanne d’Arc folgen zu lassen, die uns näher steht als jede andere. |