1989/90
Haupthaus |
Die Jüdin von Toledo Premiere 9. September 1989 Alfonso VIII., König von Kastilien: Thomas Evertz Inszenierung: Rudolf Jusits Ruhe und Ordnung soll der junge König schaffen im Land. Krieg führen gegen die andersgläubigen Feinde. Doch er wird „abgelenkt“, gefesselt von einer schönen, leidenschaftlich-verspielten jungen Frau, einer Jüdin. Er vergißt Staat und Krieg; vergißt sich selbst - meinen die einen. Findet sich selbst - könnten andere meinen. Und weil es nicht angeht, daß ein Mann sich ganz und gar der Liebe ergibt, wird Ordnung geschaffen: die störende Frau, die Jüdin ausgelöscht. Eine alte Geschichte aus einer längst vergangenen Zeit? Verstaubt? – Nein. Was sie über Liebe, Sexualität und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, über Haß, Vorurteile und Intoleranz erzählt, ist heute noch und wieder brandaktuell. Das Resultat ist ein verhaltenes, statuarisches Parabelspiel über mehrfachen Tabubruch, menschenverachtende Moralisten, über die Feigheit eines ehebrecherischen Mannes. Diese Inszenierung gibt sich als Festung, die erkämpft werden muß. Es ist eine Mühe, die sich lohnt. Ein kastilianischer König und doch das Seelenporträt seines Autors. Das Licht der Aufklärug im Kopf, die Angst des Mittelalters in den Weichteilen. Als Herrscher ohne Vorurteile hält er sich eine jüdische Mätresse und liefert sie damit der Lynchjustiz aus. Das Volkstheater traut sich etwas. Rudolf Jusits ist einer der besten realistischen Regisseure. Wo es um die exakte Beobachtung zwischenmenschlicher Spannungen geht, gelingen ihm packende Szenen. Das große Gedankengebäude, um die Unspielbarkeiten des Stücks unter ein Dach zu bringen, kann auch er nicht errichten. Drei Stunden durchaus zum Mitdenken anregendes Theater. Das Publikum, um die optische Dimension weitgehend betrogen, ist dazu angehalten, sich voll und ganz auf Grillparzers Text zu konzentrieren, was auf Grund des kammerspielartigen Tons, der angeschlagen wird, nicht selten ins Leere geht. Die karge Dekoration (Hans Hoffer), die strengen, aus der Historie herausgenommenen Kostüme (Mimi Zuzanek), die Sparsamkeit im Detail werden ergänzt durch die Schroffheit der Darstellung. Immer wieder bricht das Gespräch in Schreien aus, das statuarische Arrangement löst sich in unverhoffter Aktion, das Drama, als Exempel angelegt, gewinnt individuelle Züge. Manches hätte die Aufführung ruhig augenfälliger herausarbeiten dürfen. Das gute Ende hätte mit Ironie, als Satire herausgestellt werden können. An andrer Stelle ist die Regie deutlicher. In der klaren, unpathetischen allerdings auch spannungsarmen Inszenierung von Rudolf Jusits sowie in der kargen schwarz-weißen Ausstattung von Hans Hoffer (Bühne) und Mimi Zuzanek (Kostüme) ist die Rehabilitierung der „Jüdin von Toledo“ tatsächlich weitgehend gelungen. |