1991/92
Haupthaus

Kaddisch
von Grigorij Gorin

Nach Scholem Alejchems „Tewje, der Milchmann“
Deutschsprachige Erstaufführung

Premiere 9. April 1992

Tewje: Heinz Petters
Golda: Brigitte Swoboda
Zejtel: Viktoria Schubert
Godel: Franziska Sztavjanik
Chawa: Judith Keller
Schprinze: Anja Stöhr
Bejlke: Anneliese Pfeifer
Motel: Klaus Rohrmoser
Pertschik: Herbert Föttinger
Fjodor: Hakon Hirzenberger
Menachem-Mendel: Roger Murbach
Stepan: Manfred Jaksch
Lejser-Wolf: Rudolf Strobl
Rabbi: Fritz Holzer
Pope: Albert Rolant
Wachtmeister: Robert Hauer-Riedl
Wojzek: Michael Herbe
Städter: Günther Wiederschwinger
Menachems Mutter: Renate Olarova
Erster Jude: Wolf Dähne
Bauer: Günter Baumann

Inszenierung: Rudolf Jusits
Bühne: Christian Feichtinger
Kostüme: Ingrid Leibezeder
Musik: Gruppe gojim (Martina Cizek, Maria Gollini, Petra Konecny, Franz Ruttner, Katrin Schüler-Springorum, Bernhard Ziegler)
Sabbat- und Kaddisch-Gebet singt Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg
Choreographische Mitarbeit: Dalibor Vesely

Ein Mann zieht seinen Karren. Der Karren ist schwer, die Straßen sind dreckig, das Leben scheint nur Mühsal und Plage bereitzuhalten. Dennoch ist Tewje, der augenzwinkernde Schlaumeier und Lebenskünstler aus dem unerschöpflich scheinenden Geschichtenvorrat des großen Dichters Scholem Alejchem, mit grimmigem Mut zur Ironie gesegnet. Mit seinem Gott hält er selbstbewußt Zwiesprache, im Kreis seiner Familie sonnt er sich im Glanz nicht mehr ganz unverfälschten Patriarchentums, und seine haarspalterischen Ansichten erschweren ihm und den Seinen zusätzlich das Leben.
Und doch ist „Kaddisch“, die von dem zeitgenössischen Moskauer Dramatiker Grigorij Gorin zusammengestellte Szenenfolge über Freuden und Leiden in dem ukrainischen Dorf Anatovka zur vergangenen Jahrhundertwende, auch ein elegisches Gedenkgebet (so die Übersetzung des jüdischen „Kaddisch“-Brauchs) für eine zerstörte Kultur: die des osteuropäischen „Schtetls“ samt seiner scheinbar insularen Ruhe und seiner ständigen Gefährdung. Russen, Ukrainer und Juden versuchten in diesem untergegangenen Legendenort Anatovka ein Zusammenleben; verschiedene Religions- und Lebensformen trafen da auf engstem Raum aufeinander, begleitet beständig von der Angst vor Not und Verfolgung.
Die unwahrscheinlichsten und doch wahrhaftigsten Lebensgeschichten mischen sich in dem Stück „Kaddisch“ – Geschichten von Liebe, Verständnis, Hochzeit und Freude, aber auch von Unglück, Sterben, Verrat und Vertreibung. Das Stück entfaltet ein weiträumiges theatralisches Panorama menschlicher Leiden und Leidenschaften, spannt auf ernsthafte und zugleich heitere Weise Komik und Tragik zusammen und stellt nicht zuletzt eine unmißverständliche Warnung vor Intoleranz, Rassismus und Minderheitenfeindlichkeit dar.

 
Pressestimmen

Volkstheater total, oft sehr witzig, aber auch sentimental; kitschig und ernsthaft, manchmal pathetisch, insgesamt etwas lang, doch mit dem Effekt, politisches Bewusstsein im Umgang mit dem Fremden, mit Minderheiten zu schärfen.
profil

Ein Glücksfall: ein Regisseur der mit Strenge und Konsequenz jeglicher Folklore, jedem Kitsch verweigerte. Tewjes Geschichte gewinnt eine neue Dimension, fern von pittoresker Nostalgie.
Vorarlberger Nachrichten

Die Musik ging niemandem ab, denn die ‚Anatevka’-Version des Volkstheaters hat andere Qualitäten: Stille, Wahrhaftigkeit, starkes Engagement.
Kronenzeitung

Das Stück läuft Gefahr, zur Folklore zu verkommen, aber so saftig und kraftvoll, wie es dargestellt ird, war dieser kleine Kosmos wohl wirklich. Rudolf Jusits erweist sich als rarer Regisseur, der gar nicht genug Leute auf der Bühne haben kann. Wo es lebendig zugeht, ist er in seinem Element. Heinz Petters gibt dem Tewje Kraft und Resolutheit. Mit Brigitte Swoboda bildet er ein drastisches Gespann. Ihre Sterbeszene, so karg sie dargeboten wird, ist ein schauspielerisches Kabinettstück. Von den Töchtern tun sich Viktoria Schubert und Franziska Sztavjanik besonders hervor. Roger Murbach, Rudolf Strobl und Manfred Jaksch liefern treffliche Originale, Robert Hauer-Riedl verkörpert eine Obrigkeit, der nicht recht wohl ist in ihrer Haut. Am Rande der Handlung ergibt sich eine Vielzahl von Typen.
Kurier

Produktionen K