2004/05
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Die kahle Sängerin Premiere 13. Februar 2005 Mit Inszenierung, Ausstattung: Karl Markovics Zu Mr. und Mrs. Smith, einem gutbürgerlichen Ehepaar, das sich außer hohlen Phrasen nichts mehr zu sagen hat, kommen Mr. und Mrs. Martin zu Besuch. Bei diesem Paar ist die Beziehungslosigkeit so weit fortgeschritten, dass es erst einer umständlichen Beweiskette bedarf, um die beiden zu überzeugen, dass sie wirklich miteinander verheiratet sind und ein Kind miteinander haben. Die Phrasen, die Hohlheit der konventionellen Konversation werden in der „Kahlen Sängerin“ grotesk übersteigert, der Dialog artet aus in ein Happening von Worten, eine Explosion von Silben und Buchstaben, und das Stück endet mit einem neuen Beginn, der noch einmal den Persönlichkeitsverlust, die Austauschbarkeit der Figuren vor Augen führt. „Es ist nun schon einige Jahre her, als ich eines schönen Tages auf die Idee kam, die banalsten, aus sinnentleerten Wörtern, ausgetretenen Klischees gebildeten Sätze aneinanderzureihen, die ich in meinem eigenen oder dem Wortschatz meiner Freunde oder, in geringerem Umfang, in fremdsprachlichen Konversations-Handbüchern fand. Unglückliches Beginnen: Von der Anhäufung dieser Wortleichen erdrückt und von den Automatismen der Konversation abgestumpft, erlag ich beinahe dem Ekel und einer unnennbaren Traurigkeit, einer nervösen Depression und einer richtigen Erstickung. Trotzdem konnte ich die mir selbst gestellte unsinnnige Aufgabe zu Ende führen.“ (Eugène Ionesco) Vor mehr als fünfzig Jahren reihte Eugène Ionesco die unerhörtesten Floskeln innerehelicher Anti-Kommunikation zum einstündigen „Anti-Stück“. Er schlägt in absurder Überhöhung Funken des Witzes aus der fatalen Stille im englischen Interieur des englischen Ehepaars Smith. Karl Markovics wählte die einstündige Miniatur am Plafond des Volkstheaters für sein Debüt als Regisseur und Ausstatter in Personalunion. – Und erbrachte bereits durch die Raumgestaltung den Beweis, dass Stil nicht allein der Höhe des Budgets entspringt. Dunkel getönte Wände, ein Teppcih in Beige, darauf zwei Fauteuils, ein Sofa, von der Decke ein Kristallluster: Minimalistisch entstand das englische Interieur, bereit für die englische Abendunterhaltung. Britisches Understatement auch im Spiel: gestische Kargheit, leise gesetzte Pointen, dazwischen Raum für bedrückende Stille. Stephanie Taussig und Michael Rastl als Mrs. und Mr. Smith, Piroska Szekely und Alexander Lhotzky in den Rollen der einander gänzlich unbekannten Besucher Mrs. und Mr. Martin, Sabine Herget als Dienstmädchen Mary, Uwe Falkenbachs Feuerwehrhauptmann: Markovics versteht sich auch als Regisseur auf darstellerische Präzision.
Ionesco bittet uns zum Tee bei Mr. und Mrs. Smith, die einander mit Geschwafel quälen. Ihre Gäste, die Martins, müssen einander erst beweisen, dass sie verheiratet sind – sie haben es vergessen. Am Ende zerfällt die Konversation in Sprach-Abfall. Ionesco zeigt Menschen ohne jede Sicherheit. Nach Darwin, Freud und Einstein ist nichts mehr gewiss, und nicht umsonst spielt die Wanduhr verrückt und zeigt „immer wieder das Gegenteil der Zeit, die gerade ist“. Karl Markovics inszenierte dicht. Michael Rastl, Stephanie Taussig, Alexander Lhotzky, Piroska Szekely, Uwe Falkenbach und Sabine Herget spielen präzise. Eine mehr vergnügliche als erschreckende Stunde. Alte Theaterschocker rosten nicht: Ionescos Stück „Die kahle Sängerin“, das als die „Mutter des absurden Theaters“ gilt, ist immer noch ganz witzig. Regisseur Karl Markovics hat den Stoff überaus ernst genommen. Er kommt ohne jegliche Exaltiertheit aus und setzt die beiden Ehepaare (Michael Rastl, Stephanie Taussig, Alexander Lhotzky und Piroska Szekely) punktgenau, wie bei einem Kammerspiel in Szene. Auch die Kostüme sind in dezenten Farben gehalten, und auf der Bühne steht lediglich ein schlichtes Sofa mit zwei Fauteuils. Kein Trash weit und breit und auch keine nervöse Überspanntheit. Und siehe da, es funktioniert: Ein leichtfüßiger Abend über die tödliche Langweile von Ehepaaren, die ihr Leben in ausgetretenen Hauspantoffeln führen. Eine gediegene Inszenierung liefert Karl Markovics zum Regisseurs-Einstand, auch wenn die Kälte im engen, intimen Rahmen des Plafonds nicht so ganz klirrt, ist es doch ein unterhaltsamer, absurder Theaterabend. Sie sind wieder da, die alltäglichen Typen mit ihren banalen Phrasen, die sich ins Groteske steigern! Eine Überprüfung ihres Daseins mit Eugène Ionescos „Die kahle Sängerin“ auf dem Plafond des Volkstheaters hat bewiesen: Das absurde Theater hat überlebt, lebt. Das Volkstheater macht mit der Aufführung von Ionescos „Die kahle Sängerin“ Lust auf mehr vom großen Rumänen. |