1993/94
1994/95 Haupthaus |
Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot Premiere 16. Juni 1994 Kasperl: Michael Rastl Inszenierung und Bühne: Stephan Bruckmeier Bereits 1935, zwei Jahre nach dem Beginn des Naziterrors in Deutschland, schrieb der österreichische Dichter Albert Drach dieses Parabelspiel über den Aufstieg eines „großen Diktators“. Ein mörderischer Kasperl hetzt seine Umwelt in Krieg und Rassenverfolgung. Doch Drachs Parabel ist nicht nur auf den damals so schrecklich konkreten Fall anwendbar; sie entwirft ein Modell der Funktionsweise von Demagogie. So spielt sie, wie es einer gelungenen Parabel ansteht, zugleich „immer und überall“. Drachs Führer einer neuen Bewegung ist eine blut-, herz- und sprachlose Puppe, die ihrer Mitwelt ihre Phrasen ablauscht und sie mit genau diesen Phrasen manipuliert. Daß eine Kasperlpuppe letztlich selbst ein Objekt der Manipulation ist, versteht sich. Albert Drach war bei der Premiere anwesend. Kasperl beherrscht seine Zuschauer durch ihre eigenen Phrasen, die er ihnen – zweckentfremdet – vorexerziert. 1935 geschrieben, schaffte "Das Kasperlspiel" erst Anfang der sechziger Jahre den Sprung auf die Bühne. Die Volkstheater-Inszenierung besticht durch Michael Rastls vielschichtige Kasperl-Darstellung.
Daß an diesem Abend weder politische Deutlichkeit noch Kunstfertigkeit vermißt werden müssen, ist das Verdienst des Regisseurs Stephan Bruckmeier. Er erschafft ein funktionierendes Reich der Schemen. Die Aufführung des Volkstheaters lebt von der Fähigkeit des jungen Regisseurs, ganz konzentriert und konzessionslos zu arbeiten. Michael Rastl wandelt sich als Kasperl von der Marionette eindrucksvoll zur Fratze, der Rest des Ensembles bietet den Totentanz. Bruckmeiers Inszenierung gerät vor dunklem Hintergrund manchmal ins Stocken, die Worte und Gesten gehen ins Leere, dem Spiel fehlt das Leben. Die Geschichte vom Kasperl, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, diesen mit dem Blut der Zuschauer bestätigt und dadurch die Fähigkeit erhält, jedem nach dem Mund zu reden, ist heute so aktuell wie je. In der behutsamen Inszenierung von Stephan Bruckmeier brillieren Michael Rastl, Eva Hosemann und Rainer Frieb. |