1990/91
Haupthaus

Komiker
von Trevor Griffiths
(Deutsch von Peter Brasch)

Premiere 17. Jänner 1991

Eddie Waters, Komiker: Heinz Petters
Bert Challenor, Agent: Adolf Lukan
Gethin Price, Lieferwagenfahrer: Cornelius Obonya
Phil Murray, Versicherungsvertreter: Rudolf Jusits
George McBrain, Hafenarbeiter: Robert Hauer-Riedl
Sammy Samuels, Nachtclub-Besitzer: Georg Trenkwitz
Mick Connor, Bauarbeiter: Klaus Rohrmoser
Ged Murray, Milchmann: Michael Rastl
Klubconferencier: Roger Murbach
Patel: Fritz Hammel
Schulwart: Fritz Holzer/Wolf Dähne
Pianist: Bill Grah

Inszenierung: Emmy Werner
Bühne und Kostüme: Walter Schwab
Musikalische Arrangements: Bill Grah
Bertung (Pantomime): Richard Rene

Manchester, frühe Siebzigerjahre, eine Schule in einem Randbezirk, ein Volkshochschulkurs für Varieté-Komiker, Alleinunterhalter, Conferenciers. Ein alter, in der Zwischenkriegszeit gefeierter Komiker unterrichtet sechs Männer zwischen zwanzig und fünfzig etwa, die aus ihren Berufen aussteigen und ihr Glück als Komiker versuchen wollen. Die lieber durch Clubs tingeln und vom Sprung ins Fernsehen träumen wollen, als als Bauarbeiter schuften, als Vertreter klinkenputzen, als Hafenarbeiter Schiffe entladen.
Es ist der Abend der Abschlußprüfung. Der Prüfer kommt aus London. In einem Bingo-Club sollen die Komiker-Aspiranten vor Publikum zeigen was sie gelernt haben.
Es ist eine fremde Welt, in die uns Griffith führt. Wo ist für uns Manchester? Was wissen wir von der englischen Varieté- und Music hall-Tradition? Was interessiert uns der Dauerkonflikt zwischen dem harten, ehrlichen Nordengländer und dem smarteren, arroganten Londoner?
Doch in dieser fremden Welt hat der Autor eine Geschichte angesiedelt, die eine Parabel über Spielen, über Menschsein ist: Zwischen dem idealistischen, alten Lehrer und dem marktorientierten Prüfer aus London entspinnt sich ein Kampf um die Schüler. Ist ein Witz, eine Möglichkeit Erkenntnis und Selbsterkenntnis zu bewirken oder ist er nur eine Möglichkeit, einen Lacher zu provozieren.? Soll das Publikum lernen zu sehen, wovor es lieber die Augen verschließen will oder soll es geliefert bekommen, was es verlangt – Selbstbestätigung. Es ist die alte Frage nach der Aufgabe der Kunst. Hat sie eine Botschaft? Hat sie ihr eigenes Ethos oder ist sie dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage unterworfen, wie jede andere Ware?
Der Kampf endet unentschieden. Und doch sind einige die Sieger, andere die Verlierer. Wer was ist, das ist eine Frage der Einstellung.
Nach Peter Zadek, 1978 am Hamburger Thalia-Theater, hat sich lange niemand an diese Theaterlegende gewagt. Das Stück „Siebziger-Jahre-Theater“ wird jetzt zum ersten Mal in Wien gespielt. Vielleicht nicht zufällig, denn im Zeitalter des vielfach deklarierten Utopie-Verzichts haben die Fragen, die das Stück aufwirft, einen neuen Stellenwert bekommen.

„Diese Stand-up-comedians, diese Komiker also, die in den Klubs plötzlich aufstehen und ihre Witze reißen, habe ich zum erstenmal gesehen, als ich ein dreijähriger Junge war. In kleinen Häusern in abgelegenen Gegenden sind sie aufgetreten, vorübergehend hatte man sie fast vergessen, und dann wurde dies uralte Tradition vor vier Jahren plötzlich und ausgerechnet durch das Fernsehen wieder beliebt. Wer als Komiker vor diesem Arbeiterpublikum überleben will, kann das nur durch zweierlei: durch Geistesgegenwart und Brutalität. So strotzen die Shows denn auch, populär und erzkonservativ zugleich, von Sexismus und Rassismus. Sie verbreiten genüßlich und ihres Erfolges sicher alle Vorurteile gegen Iren und Neger, Juden und Pakistani. Sie leben von der Verachtung der Frau, doch seltsam: Ich habe trotzdem gelacht. Und gleich hinterher habe ich mich gefragt: ,Wie konntest du über Dinge lachen, die alles in Frage stellen, was du für richtig hältst?‘ Ich habe also erst gelacht, dann zu lachen aufgehört und zu denken angefangen. So kam vor zweieinhalb Jahren die Idee zu diesem Stück.“
„Ich trug mit mir ein Stück herum, von dem ich dachte, es handle im Wesentlichen vom Konflikt zwischen Anpassungsdruck - der sich bei den Komikern als kommerzieller Druck erweist - und dem Bedürfnis, etwas anzufangen oder an etwas festzuhalten, was mit Grundsätzen, Verpflichtungen und sozialem Bewußtsein zu tun hat und was, wenn Sie mit unscharfen Begriff vorlieb nehmen, progressiv ist … befreiend, was auch der Komiker, was auch der Künstler sein sollte. Ich glaubte, es würde ein Stück über diesen Konflikt werden. Aber zwischen diese zwei Positionen schob sich dann die Figur von Price, die über diese Konfrontation hinausgeht und sie durch eine andere ablöst, indem Price sich gegen Waters stellt und seinen Grundsätzen einen Stoß versetzt. Price verkörpert für mich die kühnsten und kraftvollsten Züge der Arbeiterklasse. Da gibt es Gefahr und Häßlichkeit, aber da gibt es auch eine große Anmut und Intelligenz und eine enorme Fähigkeit, Probleme zu lösen, und den Wunsch, sich selbst wieder in Besitz zu nehmen. Die anderen Typen im Komiker-Kurs verkörpern verschiedene Formen der Ohnmacht dem System gegenüber. Sie führen die typischen Wege vor, in welche die Ohnmacht hineingelenkt wird. Das ist entweder ein über Bestechlichkeit laufender Prozeß der Eingliederung oder ein Prozeß ohne Erfolge - ein Weg, auf dem niemand die Chance kriegt, hochzukommen.“
„Die Komiker, die in der Prüfung gut abschneiden, tun dies, weil sie über Bord werfen, was für sie am wichtigsten wäre; und die beiden, die das nicht tun, bewahren, was für sie am wichtigsten ist, aber kehren in ihr Ausbeutungsverhältnis zurück. Price aber zerschlägt die Kategorien und sagt: ,Nein - ich stehe in keiner Reihe, ich verweigere meine Zustimmung.‘ Er ist unnachgiebig hart und entschieden, entdeckt sich selbst und macht die ersten Schritte, sich selbst wieder in Besitz zu nehmen.“
„Im ersten Akt gibt es eine Stelle, wo Waters sagt, daß die Menschen Respekt verdienen, weil sie Menschen sind, und nicht weil wir sie kennen. An seinem Ort im Stück scheint dieser Satz eine ganz und gar ehrenswerte Position zu umschreiben, deren praktische Umsetzung in einer korrupten und schmierigen Gesellschaft wie unserer sehr wichtig ist. Am Ende des Stückes sagt Price etwas anderes. Er sagt: ,Menschen werden erst dann als Menschen wahrgenommen, wenn sie es verlangen, darauf bestehen, Anspruch darauf erheben.‘ Bildlich ausgedrückt, handelt es sich hier nicht um ein schmerzstillendes Präparat, nicht darum, einen Bogen um das Häßliche zu machen. Es geht darum, die Gegenden des Häßlichen zu durchqueren, um auf das Recht zu pochen, eine Person zu sein und als Person gesehen zu werden - statt als Ware und Gebrauchszeug, statt als etwas Eingepferchtes, Fertiggemachtes, Ausgelutschtes.“
„Das Stück handelt vom Ja-Sagen. Was ich tat. Es handelt vom Nein-Sagen. Was ich tat. Es handelt davon, vom Erfolg verführt zu werden, und es handelt vom Erliegen. Was ich tat. Es handelt davon, seine Zustimmung zu verweigern, auch das habe ich getan. Ich glaube, es hat zu tun mit allem, was wir so tagtäglich in dieser verdammten Gesellschaft aushalten müssen.“
(Aus Interviews mit Trevor Griffiths)

 
Pressestimmen

Eindrücklich. Vor allem dank der sehr konzentrierten, in der Führung des umfangreichen Ensembles sicheren Regie Emmy Werners, die als Hausherrin erstmals inszenierte. In den Tristesse und Dürftigkeit verbindenden Bühnenbildern lief ein Spiel von Illusionen, Wunsch- und Albträumen ab.
Neue Zürcher Zeitung

Die Inszenierung läßt die derb-vulgären Pointen genüsslich ausspielen. Die Ironie, die der Autor – hoffentlich! – dabei im Sinn hatte, wird nicht immer deutlich.
Wiener Zeitung

Produktionen K