2001/02
Haupthaus |
Liebe. Vier Komödien Premiere 21. Oktober 2001 Mit Inszenierung: Ensemble Von den vier Einaktern stammen zwei aus dem Zyklus „Komödie der Worte“ („Große Szene“, „Bacchusfest“). Auch „Literatur“ entstammt jener Serie von Minidramen, in denen Schnitzler die Eitelkeit der Schauspieler- und Literatenszene aufs Korn nimmt und die Mechanismen untersucht, wie eine Beziehung oder Ehe zwischen einem Außenseiter und einem bürgerlichen Partner funktioniert. Es ist ein Spiel mit Masken, mit Affären, mit Lügen, mit wahren und erfundenen Geschichten, in dem nicht nur die Mitspieler in ein Verwirrspiel geführt werden. Ausstatterin Beatrice Schultz hat den vielen Theaterdonner in den Dialogen zum Anlass genommen, noch ein bisschen kräftiger aufzutragen. Eine mächtige Freitreppe beherrscht die Bühne. Übersteuerung, Hysterie, Aktionismus herrschen vor. Am weitesten wagt sich „Komtesse Mizzi“ vor. Theater und Lüge, die das aristokratische Familiendurcheinander kennzeichnen, werden genüsslich von der Inszenierung aufgegriffen. Alles nur Theater. Erich Schleyer trabt als Fürst Ravenstein mit einem Kostümpferd bei Graf Pazmandy an. Sekt fließt in Strömen, die Stimmung wird „angeheitert“. Alle sind, trotz dramatischer Enthüllungen, ziemlich trottelig unterwegs und gehen kindisch in den Infight. Auch so kann Schnitzler sein. Wenn das Werk aus dem Glassturz hervorgeholt wird, kann ihm das gut tun.
In „Literatur“ gibt Birgit Doll die Frau jenseits der angeblich besten Jahre. Sie widersetzt sich der Reduktion auf „Körper“, indem sie ihren in München gelebten Wunsch zu dichten sich von ihrem neuen aristokratischen Liebhaber (Nik Neureiter) nicht nehmen lassen will. Das Ensemble vermeidet öfters geschickt den üblichen zu weichen Schnitzler-Ton. Einiges – wie ein großer Auftritt Erich Schleyers als Ehemann in der unheimlichen „Bacchusfest“-Szene am Innsbrucker Bahnhof – bringt das Unheimliche, auch Brutale, sehr nahe. Alexander Goebel brilliert: Er gestaltet seine „Große Szene“ mit viel Selbstironie, verleiht dem herrlich eitlen Staatsschauspieler Konturen. Birgit Doll ist um Tiefgang bemüht, Gabriele Schuchter um echte Vitalität. Spricht man aus dem Denkhorizont eines Arthur Schnitzler vom Begriff Liebe, könnte man meinen, es handle sich um ein erfundenes Stück Glück, das irgendwo zwischen Fantasie und Lüge angesiedelt ist. Ein Eindruck, der im Volkstheater mit dem Einakterzyklus „Liebe“ noch verschärft wurde. Denn alle vier Komödien, die am 70. Todestag des Dichters zur Premiere gelangten, spiegeln ein und dieselbe Grundbotschaft: Die Ehe als Insel der Einsamkeit. „Rettung“ scheint nur durch Kurzausflüge in andere – zumeist vergangene – Lebenswelten möglich. Aber auch wenn die Bühnenleistung des Ensembles (u.a. Birgit Doll, Fritz Hammel, Katrin Thurm, Alexander Goebel, Erich Schleyer) durchwegs engagiert ist, scheint der komödiantische Stoff einfach zu dünn, um einem „Liebes-Projekt“ Farben mit Zwischentönen zu verleihen. Erwin Ebenbauer zeigt, wie man einen Schnitzler-Herren spielt, ohne sich selber zu parodieren. Und in Katrin Thurm ist dem Haus eine starke, strenge Kraft zugewachsen. Schnitzler, einmal unsubtil. Wie die Faust aufs Aug. Jeder hat eine eigene Vorstellung, wie man Schnitzler spielen soll. Ein entgleister, viel zu langer bunter Abend. Schnitzlers kostbarer Text wird unsicher und unpräzise genuschelt, Pointen und Charaktere werden verschenkt. Eine Operettenparodie aus den Tiefen besoffener Ordinärheit – all das könnte Schnitzler nicht fremder sein. |