2002/03
Forum U3

Lulu
von Gustav Ernst

Uraufführung
Auftragsstück des Volkstheaters

Premiere 5. April 2003
Wiederaufnahme Spielzeit 2003/04

Mit
Julia Cencig (Lulu)
Thomas Evertz (Schwarz)
Rainer Frieb (Schöning)
Christoph von Friedl (Rodrigo)
Robert Hauer-Riedl (Goll)
Cornelia Köndgen (Geschwitz)
Alexander Lhotzky (Alwa)
Peter Vilnai (Schigolch)

Inszenierung und Ausstattung: Alexander Kubelka

Die Figur der Lulu mag keine mythische Gestalt im strengen Sinn sein, doch Wedekinds geniale Erfindung hat durchaus Züge eines Mythos angenommen und ist damit Allgemeinbesitz geworden. Gustav Ernst nimmt sich die Figur und stellt sie sprachmächtig in andere, heutige Zusammenhänge, fragt nach ihrer Relevanz unter heutigen Bedingungen und Geschlechterverhältnissen.

 
Pressestimmen

Es ist eine Abrechnung mit dem Mythos der Liebe und der Sexualität, die Autor Gustav Ernst in seiner Version der „Lulu“ betreibt. Ein furioser Tanz ins Verderben. Wedekinds „Lulu“ als gepeinigtes und die Männer peinigendes Show-Wesen der Gegenwart, das die Quoten nach oben treibt.
Grandios, wie Regisseur Kubelka – er ist auch für die gute Raumlösung verantwortlich – Emotionen seziert, seelische Abgründe offen legt, mit den Formen des Theaters jongliert und sein Ensemble zu einem extrem körperbetonten Spiel animiert. Brachial, radikal, glaubhaft, stringent, mit viel Witz und noch mehr Schrecken.
Exzellent das Ensemble: Julia Cencig brilliert als intensive Lulu. Cornelia Köndgen ist eine famose Geschwitz und Rainer Frieb ein bösartiger Technokrat der Macht. Sehenswert.
Peter Jarolim, Kurier

Eine Suche nach dem Mythos, den Frank Wedekind erschaffen hat, um die verlogene Moral des Bürgertums zu entlarven, ist Gustav Ernsts Neubearbeitung des Stoffs. Ein Metatext, der mehr Relevanz-Fragen aufwirft als er beantwortet.
Ein Dichter (neugierig und enthusiastisch: Alexander Lhotzky) will die Geschichte der Lulu schreiben. Julia Cencig spielt sie kindlich verführerisch, offensiv lasziv, trotzig, vor allem agressiv. Ihre Männer schart sie ständig und anklagend um sich: Den verkrüppelten Industriellen (zurückhaltend: Robert Hauer Riedl), den Filmregisseur (clownesk: Thomas Evertz), den „kinderlieben“ Nationalratsabgeordeneten (eigenartig: Rainer Frieb), Ziehvater Schigolch (schnapslastig: Peter Vilnai) und Masseur Rodrigo (traurig impotent: Christoph von Friedl).
Christina Böck, Die Presse

Der Reihe nach marschieren die Zeugen für die ungebrochene Faszination jener Frauenfigur auf, die sich einmal mehr als Männer-Projektion entpuppt. Immer wieder tauschen die Männer mit Lulu ihre Rollen – ein hervorragender Kunstgriff, der die Klischeebehaftetheit der gegenseitigen Vorstellungen betont.
Julia Cencig spielt mit großem Einsatz die zahlreichen Facetten der Lulu, auch die Männer haben sichtlich Spaß daran, nicht nur die Fies- und Geilheit darzustellen, sondern auch in Frauenrollen schlüpfen zu dürfen.
APA/ORF ON

Julia Cencig, Hauptakteurin der neuen Volkstheater-Produktion, könnte auch die echte Lulu spielen und es wäre gut.
Gustav Ernst entwickelt eine Art „Gerichtsverhandlung Lulu“. Es läuft, wie das Prozesse so an sich haben, nicht glatt und gleichmäßig spannend ab. Jedenfalls: Lulus Freundin, die lesbische Gräfin Geschwitz, hat sich in eine aufdringliche und psychoanalytisch verdorbene Reporterin verwandelt (Cornelia Köndgen). Regisseur und Ausstatter Alexander Kubelka lässt seine Lulu im roten Anorak als Straßenstricherin vom U-Bahn-Aufgang in den Raum gehen, gleich belagert von einem Autor mit Schreibmaschine (Alexander Lhotzky): Verwertung der Frau in Geschichten über sie, literarischen, dramatischen, psychoanalytischen.
Die Regie betont das männliche Glotzen, immer sind um Lulu herum ihre gewesenen, gegenwärtigen oder hinkünftigen Männer als lebende Galerie versammelt, und Julia Cencig hält sie alle in Schach (tapfere Knechte: Thomas Evertz, Peter Vilnai, Robert Hauer-Riedl). Sogar dem bei Ernst vom Artisten zum (Frauen)-Masseur degradierten Rodrigo (Christoph von Friedl) wird jede Potenz abgesprochen. Manchmal geht der politisch korrekte Wille aber zu weit: Muss ein Lulu-Vergewaltiger undbedingt ein „christlichsolzialer Politiker“ sein? Aber, wie in diesem Fall Rainer Frieb: Die Schauspieler retten, was zu retten ist: Es bleibt: einiges.
Richard Reichensperger, Der Standard

Der Autor verpasst dem Stück eine Rahmenhandlung, er verlegt es in die Gegenwart und würzt es mit drastischer Sprache; die Geschichte selbt wird in Rückblenden und teilweise mit vertauschten Rollen erzählt, folgt aber weitgehend der Vorlage.
Die Uraufführung ist die beste Produktion der ganzen Volkstheatersaison. Regisseur Alexander Kubelka, der auch für die Ausstattung verantwortlich zeichnet, macht aus der Not des unatttraktiven Spielorts eine Tugend. Er versucht gar nicht erst, das „Besucherforum“ in einen Theaterraum zu verwandeln. sondern bespielt ihn gleich so, wie er ist – sogar die U-Bahn-Passanten hinter der Glastüre spielen mit.
Julia Cencig ist eine tolle Lulu – es gelingt ihr scheinbar mühelos, jung und fraulich, sexy und komisch zugleich zu wirken. Und die Herren aus dem Volkstheaterensemble (vor allem Rainer Frieb, der witzigerweise wie ein Andreas-Khol-Double aussieht) zeigen wieder einmal, dass sie eh auch anders können.
Bei Wedekind wird Lulu am Ende ermordet, bei Gustav Ernst wird sie am Ende erklärt – was sicher das größere Verbrechen ist. Überhaupt wäre es vermutlich nicht notwendig gewesen, die „Lulu“ neu zu schreiben. Aber wenn so intensive Theaterabende wie dieser dabei herauskommen, soll es uns recht sein.
Wolfgang Kralicek, Falter

Produktionen L