1992/93
Haupthaus |
Maria Stuart Premiere 6. September 1992 Elisabeth: Babett Arens Inszenierung: Antje Lenkeit Goethe nannte sie ,die beiden Huren‘ und drückte damit das Befremden aus, das „Maria Stuart“ neben Bewunderung und Begeisterung für Schillers formal vollendetstes, „klassischstes“ Drama auslöste. Schon daß Schiller das Eindringen privater Leidenschaften, seelischer Verstörungen und aufgestauter Affekte in politisches Handeln am Beispiel zweier Frauen demonstrierte, war ungewöhnlich für eine Zeit, in der die Frauen real über keinerlei politische Macht verfügten. Daß er beiden Frauen neben Verstand und Gefühl auch Sexualität zubilligte, daß er die beiden Königinnen auch zu zwei Weibern machte, war sensationell und sicherte dem Stück seinen bis heute andauernden Publikumserfolg. Regisseurin Antje Lenkeit zeigt in ihrer sehr genauen, zwanglos überzeugenden Inszenierung nicht so sehr den Machtkampf zweier Königinnen. Es geht schlicht um die Frage, welches Verhalten einer Frau bleibt, die innerhalb einer traditionell männlich strukturierten Führungsschicht ihre Position zu behaupten hat. Beispiel großen Frauentheaters – Konfrontation zweier Prinzipien. Dreieinhalb Stunden packendes Theater. Nicht um das englisch-schottische Throngemetzel im 16. Jahrhundert geht es. Sondern um zwei Frauen, die sich im Männerberuf des Machtpolitikers zu behaupten haben. Maria Stuart versucht es mit weiblichen Waffen. Andrea Eckert hat Ausstrahlung und Größe. Elisabeth schlägt den tauglicheren Weg ein: Sie tötet ihre Gefühle ab. Babett Arens ist eine faszinierende Kunstfigur. In Hans Richters klarer Ausstattung ist Georg Schuchter ein brillanter Leicester, stürmt Cornelius Obonya kraftvoll in den Abgrund. Fade ist die Aufführung nie. Antje Lenkheit lässt nicht nur zwei sehr unterschiedlich fühlende und handelnde Frauen sondern auch zwei unterschiedliche politische Systeme gegeneinanderprallen. Hier die der katholischen Tradition und der damit verknüpften Herrschaftsidee verpflichtete schottische Königin, dort die kühl taktierende Monarchin, die England in die Neuzeit führt. Aus diesem Konflikt du seiner zeitgemäß gültigen Umsetzung bezieht die Aufführung ihre überdurchschnittliche Qualität. Der Streit der beiden Königinnen geht in jeder Beziehung ins Prinzipielle, die Rivalität geht über das Politische hinaus. Andrea Eckert bewahrt in der Gefangenschaft noch stolze Fassung, ihr billigt die Regie, nicht immer zu ihrem Vorteil, auch pathetische Ausbrüche zu. Babett Arens ist die Überlegene. Kälter, distanzierter und doch zutiefst betroffen, ist ihre Königin Elisabeth. Ganz offensichtlich personifizieren die beiden Königinnen zwei Welten: Elisabeth, die fortschrittliche, aufgeklärte Herrscherin, Maria Stuart die konservative Regentin, die ganz auf ihre Anziehungskraft als Frau setzt. Für Elisabeth bedeutet das moderne Mittel der Darstellung, für Maria aber Pathos, echtes Pathos. Für Andrea Eckert eine schwierige Aufgabe, die sie meisterhaft beherrscht. Im Volkstheater hat Antje Lenkheit den politischen Kampf der beiden Königinnen auf den grundlegenden Konflikt rivalisierender weiblicher Lebensentwürfe reduziert. Sowohl Elisabeth als auch Maria geraten auf Grund ihrer Machtpositionen in unvereinbare und unlösbare Rollenkonflikte zwischen ihrer Identität als Frau und als Regentin. Dieses Double-bind ist, so scheint es, von wahrhaft zeitloser Geltung. Dreieinhalbstündige Abstrusitätenschau. So kann das Drama nicht aufgehen, die Historie, die da schwerfällig immer wieder erzählt und betont wird, die Thesen und Sentenzen, die die männlichen Großchargen vor sich her tragen, hängen sich wie Blei ans Konzept. Hohl klingen Friedrich Schillers Verse. |