2001/02
Haupthaus |
Mariana Pineda Premiere September 2001 Mariana Pineda: Christiane Ostermayer Inszenierung: Silvia Armbruster In Granada ist sie eine Legendengestalt der Stadtgeschichte: Mariana Pineda, eine junge Witwe, die 1831 wegen ihrer Beteiligung an einem liberalen Aufstand gegen die spanische Königsherrschaft zum Tod durch die Garotte, das würgende Halseisen, verurteilt wurde. Der junge Federico García Lorca, Sohn Granadas, griff 1924 für sein erstes erfolgreich aufgeführtes Bühnenstück Name und Gestalt von Granadas Freiheitsheldin auf, um ein psychologisches Drama über eine Frau im Gewissenskonflikt zwischen Liebe und Pflicht, Freiheitsauftrag und erotischer Neigung, Selbstbefreiung oder sozialer Unterordnung zu gestalten. Die Mariana Pineda in García Lorcas Stück ist zwischen drei Männer gestellt: Den jungen Fernando, der sie glühend verehrt und ihr jeden Wunsch von den Lippen lesen möchte; den von Häschern verfolgten Revolutionär Don Pedro, den sie leidenschaftlich liebt und in seinem Freiheitskampf zu unterstützen sucht; und den gefürchteten Polizeichef Pedrosa, der ihr nachstellt und sie nachts mit seinen werbenden Besuchen bedrängt. Anfangs ganz von ihrer Liebespassion für Don Pedro erfüllt, entwickelt sie allmählich aus ihrer passiven Erwartungshaltung eine aktive, gestaltende Rolle im gemeinsamen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gesetzmässigkeit. Die neu erlebte soziale Verantwortung, zu der Mariana ihre Liebe zu Don Pedro befreit hat, kann ihr auch nicht mehr genommen werden, als der Geliebte den Freiheitskampf ihr vorzieht und die zum Tod Verurteilte sich selbst überlässt: „Mariana Pineda“, García Lorcas bisher in Österreich fast nie gezeigtes Drama, ist ein Stück über die Selbstbefreiung einer Frau durch Liebe.
Silvia Armbrusters grandiose Inszenierung wirkt für diesen wenig bedeutenden Text beinahe überqualifiziert. Zu Beginn wird fulminantes Bewegungstheater geboten. In der Szene, in der die „heldenhaften“ Verschwörer als verschnupfte Buchhalter der Revolution entlarvt werden, findet Armbruster zu satirischem Witz. Später kippt die Aufführung bei einer drastischen Folterszene in beklemmenden, psychologisch begründeten Realismus. Christiane Ostermayer zeigt in der Titelrolle eine beeindruckende Leistung, sie unterwirft sich dieser ambivalenten Figur auf atemberaubende Weise. Die Hinrichtung wird unpathetisch angedeutet: Wir hören Pinedas verzweifelte letzte Atemzüge. Dann finden sich alle Personen fröhlich flanierend an der Rampe ein: Das Leben geht weiter, die Freiheit bleibt ein Slogan, Pinedas Märtyrer-Tod hat niemanden aufgerüttelt. Ein scharfer Kommentar gegenüber einem schwärmerischen Text. Bemerkenswert ist die Ensembleleistung: In einem Team ohne Schwächen fällt Georg Schuchter als dämonischer Bösling auf. Florian Teichtmeister ist als verliebter Fernando facettenreich. Isabel Martinez soll die geheimnisvolle Zigeunerin geben und geht nicht in die Klischeefalle. Das Publikum ist über einen bemerkenswerten, angenehm ungeschwätzigen Theaterabend erfreut. Die neue Volkstheatersaison verspricht, interessant zu werden.
Bieder, trocken, höchst unsinnlich und keinen Moment packend. Als langweiliger Wink mit dem politisch korrekten Zeigefinger ist da nicht genug für die Sache getan. García Lorca wollte nicht den selbstzerstörerischen Heldenmut für die (austauschbare) richtige Sache denunzieren, sondern, selber ein Unangepasster, dem konsequenten Außenseitertum Rosen streuen. Der Regisseurin, ist besondere Behutsamkeit zu bestätigen. Christiane Ostermayer behält südliche Strenge, nimmt sich aus dieser unspielbaren Rolle wenig für sich selbst, simplifiziert nicht – aber kann die brüchige Hülle nicht füllen. Auch im Bühnenbild Cornelia Gaertners ist Verletzlichkeit symbolisiert: Wände wie japanische Papierlampen. Aus ihrem Haus, wo Johanna Mertinz als verletzte, doch stolze Mutter und Isabel Martinez als deftige Magd zurückbleiben, kommt Mariana in die Obhut einer Ordensfrau, die Doris Weiner mit starrem Charisma adelt. „Mariana Pineda“ ist ein Stück voller Überschwang, relativ simpel und schematisch gebaut, die ganze Handlung zugespitzt auf die Heldin und ihre Himmelfahrt zu Ruhm und Ehre. Es ist ein Verdienst der Regisseurin Silvia Armbruster, dass die Aufführung dem Publikum dennoch gefällt, dass sie es schafft, Emotionen zu transportieren. Sie hat eine starke Hauptdarstellerin zur Verfügung. Christiane Ostermayer beherrscht beeindruckend das Spiel mit starker Expression. Blitzschnell kann sie zwischen Idylle, Hingebung und Widerstand wechseln. Zu den gewinnenden Seiten der Aufführung zählt auch durchgehende Rhythmisierung. Anleihen bei Tanz und Musik heben die Handlung von klebrigem Realismus ab. Cornelia Gaertners Bühnenbild vermeidet Spanien-Kitsch. Flamenco-Rhythmen erinnern penetrant an das Herkunftsland, Mimik und Gestik scheinen ebenso aufgesetzt wie der Tanzstil an sich und die aufge-sagten Relikte einer Poesie atmen eine ähnliche Wirkung wie ein Wäschekorb voller Plastikrosen. |