1995/96
Haupthaus |
Mayerling. Die österreichische Tragödie Uraufführung Premiere 10. Juni 2001 Rudolf, Kronprinz: Jörg Pose Inszenierung: Thirza Bruncken In Franzobels Stück Mayerling begegnen sich einige Traumfiguren der Österreichischen Seele: Franz Josef und Mizzi Kaspar, Sisi und Rudolf, Vetsera und der Fiaker Bratfisch, sie werden von der Sprachkunst Franzobels aufgeblättert: sie spielen eine Variation auf den historischen Vorfall, der endlich in seiner allegorischen Reichhaltigkeit erscheinen darf. Das Stück heißt im Untertitel ironisch „Die Österreichische Tragödie“. Im Zentrum steht Rudolf, der Rebell, der keine Chance hat und sie nutzt. Was in der geschickten Inszenierung von Thirza Bruncken geboten wird, ist allererste Schauspielkunst. Das Publikum dankte mit überschwänglichem Applaus den Schauspielern und der Regisseurin.
Thirza Bruncken verlässt sich auf Einfälle, setzt auf die Bilderzählung. Sie schafft immer wieder verblüffend schöne Perspektiven. Meriam Abbas spielt mit einer Inbrunst, die keine Zweifel aufkommen lässt an den echten Gefühlen, der großen Liebe, der Todessehnsucht; sie macht mit ihrem jugendlichen Ungestüm aus jedem Wort eine feurige Geste. Jörg Pose ist der Idealdarsteller aller zaudernden Schwärmer und Helden. Die Regie hat das beste aus dem Stück gemacht (allerdings auch seine Schwächen aufgedeckt). Am Volkstheater serviert Thirza Bruncken ein durchaus lecker angerichtetes Mahl: die Uraufführung von „Mayerling. Die österreichische Tragödie“ gehört zu den besten Produktionen des Hauses. Dass sich der majestätische Frühaufsteher Franz Josef (Toni Böhm) seiner Geliebten stets im sexuellen Morgengrauen nähert, erduldet Vera Borek mit der stoischen Würde der k.k. Hofschauspielerin Schratt. Auch Barbara Nüsses Kaiserin Sisi macht gute, magersüchtige Figur. Und Heinz Petters’ Kammerdiener Loschek gleicht einem Ausbund an Lakaien-Skurrilität. Zwei Figuren zeichnen Franzobel und die Regisseurin jenseits von gut und böse der Karikatur: Jörg Pose, der den Rudolf glänzend verkörpert, und die Vetsera von Meriam Abbas. Wie sich die zarte Mary beim Selbstmordreigen um den Kronprinzen ihrer Sehnsucht schlingt, gibt selbst dem Grotesken schöne, intensive Ernsthaftigkeit. Kultiviert und seriös ist die deutsche Regisseurin Thirza Bruncken mit Franzobels Text umgegangen. Den brillantesten Auftritt hat Fritz Hammel als singender Leibfiaker Bratfisch: mit drastischen Gstanzeln über Mord- und Todesarten. Toni Böhm gibt einen leidgeprüften Nichts-geht-mehr-Kaiser ohne Sentimentalität und Lächerlichkeit. … Die theatralische Lebendigkeit der Aufführung leidet unter Brunckens Hang zum Artifiziellen, mehr aber noch durch die Gebundenheit der Komposition in Spielfiguren. Eine brillante junge Regisseurin, die im Verein mit ihrem Ausstatter (Jens Kilian) in kräftigen Farben eine eigenwillige Inszenierung gestaltet. Jörg Pose als Rudolf zeigt vor, wie man mit Distanz zu Text und Figur dennoch Verzweiflung, Wahnsinn und Liebessehnsucht auf die Bühne bringt und den Balanceakt zwischen Klischee und Phantasie meistert. Eine Damenriege (Barbara Nüsse, Vera Borek, Meriam Abbas, Anna Franziska Srna und Johanna Orsini-Rosenberg) liefert höchst unterhaltsam verschiedene Spielarten des weiblichen Scheiterns am Habsburg-Mythos, Toni Böhm, Fritz Hammel und Heinz Petters bieten für das restliche k.u.k.-Personal vom Kaiser bis zum Kammerdiener interessante Varianten. Applaus für die Schauspieler, heftige Buhrufe und ebensolche Bravos für Autor und Regisseurin. Thirza Bruncken macht aus diesem unübersichtlichen Textkonvolut eine glasklare, konzentrierte, beschwingte Inszenierung. Mustergültig Besetzung und Spiel. Das Ganze: eine wilde Posse, eine unterhaltsame Habsburg-Nummernrevue, ein Schwank, ein Volksstück. Man begegnet einem poetischen Rudolf, der von einem südamerikanischen Vogelschutzgebiet träumt, und einer der Flucht eher abgeneigten Mizzi: von Jörg Pose ansprechend und von Anna Franziska Srna höchst attraktiv gestaltet. Speziell im nächsten Bild glaubt man noch an einen vergnüglichen Abend: Sisi sitzt mit diamantbestückter Frisur und weißer Robe, unter der die Goiserer hervorschauen, auf einem Turngerät. Die Schratt, der Kaiser und Stephanie sind um sie versammelt. Barbara Nüsse, Vera Borek, Toni Böhm und Johanna Orsini-Rosenberg gestalten da aus dem noch recht unterhaltenden Text kleine, schön charakterisierende Gustostückerln. Doch mit der Zeit beginnt sich die Sache abzunützen und Banalität breitzumachen. Auch Meriam Abbas’ zauberhafte Mary Vetsera kann daran nur wenig ändern. Gerade mit Klischees sollte man nicht so platt umgehen, sonst werden sie nervtötend. Ein wenig mehr sprachliche Sensibilität wäre auch wünschenswert gewesen. Dem Ganzen fehlt ein atmosphärischer Guss. |