1993/94
Haupthaus |
Medea Premiere 12. September 1993 Medea: Birgit Doll Regie, Bühne: Herbert König Medea ist die Geschichte der Fremden. Sie hat eine vergessen geglaubte Radikaliät in das Leben des Mannes Jason gebracht; eine Radikalität des Gefühls, aber auch des Stolzes und der Unabhängigkeit. In die schützende Zivilisation der griechischen Welt zurückgekehrt, weicht der Mann vor so viel Unbedingtheit feige zurück. Seine Trennung von Medea und die neue Ehe mit der korinthischen Königstochter bedeuten nicht nur soziale Absicherung und Integration, sondern auch Flucht zurück in die Rationalität einer wohltemperierten Zivilisation, in der Gefühl zweitrangig ist und Vernunft mit Kompromißfähigkeit gleichgesetzt wird, in der Nützlichkeit zum obersten Maßstab wird. Diese Zivilisation grenzt die unberechenbaren Elemente einer archaischen, ursprünglichen, barbarischen Welt konsequent und unbarmherzig aus. Medea verkörpert diese archaischen Elemente: ihre Liebe ist radikal, wie ihr Hass. In beidem ist sie bereit, bis zum Tod und zum Töten zu gehen. Dabei ist sie auch noch „klug“, das heißt durchaus in der Lage, die Regeln der zivilisierten Welt zu begreifen, zu erlernen und mit ihnen zu manipulieren. So wird sie für die hochmütige und fremdenfeindliche Zivilisation der Griechen zur Provokation und zu einer unberechenbaren Gefahr. Ihre Ausgrenzung, Entrechtung und Demütigung scheint ihnen nur logischer Selbstschutz und löst doch erst die Spirale der Gewalt aus, die sie befürchtet hatten. Pathos und Emotion werden durch fast immer gut erklärte Aktualisierungen für das Heute nutzbar gemacht. Eine schlüssige und spannende Theaterproduktion mit einer herausragenden Hauptdarstellerin. Dietrich Adams Jason hat die Selbstgewißheit des Mannes, der auf heimatlichem Gund steht. Erst diese Haltung ihres Mannes macht Medea zur Barbarin, zur Asylantin. Hertha Schells verschreckte Amme übernimmt, sacht kommentierend, mitunter die Funktion des Chors, Georg Trenkwitz als Kreon ist um starre Haltung bemüht. Erwin Ebenbauers Bote setzt einen wichtigen Akzent, dem König von Athen gibt Peter Uray Gewicht, als blinder Erzieher läßt Fritz Holzer mit wenigen Sätzen aufhorchen. Die Aufführung ist von unaufdringlicher Heutigkeit. Daß Medea eine Fremde, eine Asylantin ist, spielt weniger Rolle, als daß sie – bis zur mörderischen Konsequenz – eine emanzipierte Frau ist. Eine Aufführung, die der Diskussion wert ist. Die Versuche, die alten Griechen in die Gegenwart zu versetzen, sind dürftig, so belang- wie sinnlos. Pyrotechnische Einlagen und heftiges Wühlen im Sand, der nicht nur im Getriebe, sondern auch auf der Bühne liegt, machen die wenig überzeugende Personenführung nicht wett. |