1990/91
Haupthaus

Mister Rosa oder Die Schwierigkeit kein Zwerg zu sein
von Barbara Frischmuth

Premiere 5. Mai 1991
Wiederaufnahme Spielzeit 1991/92

Viktor: Heribert Sasse

Inszenierung: Götz Fritsch
Ausstattung: Lena Ilgisonis

 
Viktor Schusterhenn hat sich zum Hausmann von Madame Rosa gemacht, alle Pflichten übernommen, die sonst der Frau hinter dem erfolgreichen Mann zufallen, denn Madame Rosa ist erfolgreich, eine Art Riesin, ein Varieté-Star. Viktor kann angeben so viel er will, kann sich einreden, daß Madame Rosa nur sein Werk, daß sie völlig von ihm abhängig, vollkommen in seiner Hand ist, er ist seiner Rolle des Mannes im Hintergrund, des Mannes zu Hause doch ausgeliefert, er ist eifersüchtig, verzweifelt, kindisch, wenn er befürchten muß, daß Madame ihn betrügt, daß sie in einem anderen das findet, was er nicht sein kann und was sie am meisten zu begehren scheint: einen Zwerg.
„Da sitzt einer vor mir, den ich kaum kenne, zwischen Bügelbrett und Telefon, den Hörer in der Hand, und bevor er noch zu lachen beginnt, fängt das Tischchen zu zittern an. So ungefähr denke ich mir homerisches Gelächter. Nicht so sehr ein Dröhnen, als etwas, das sich bereits in den Dingen akündigt und an dem der, der es lacht, größer wird, auch wenn der Auslöser dieses Lachens pure Schadenfreude ist.
Es ist der dritte Mister Rosa, der mir zeigt, wie eine Figur aus Worten zu Haut und Haar kommt. Ich erlebe eine Geburt ins Menschliche und erfahre, was ich als Autorin meinen Figuren nicht mitgeben kann, nämlich den Klang der Stimme, die Farbe der Augen, den Tonfall des Lachens. Und natürlich versuche ich zu vergleichen.
Nach einem intellektuellen und einem witzigen Mister Rosa beobachte ich nun einen zutiefst komischen, wie er sich immer weiter in seine Rolle hineinarbeitet, insgesamt wohl eine tragische Rolle – und mir wird klar, daß ich eigentlich eine Liebesgeschichte geschrieben habe. Bei den Proben zu diesem Stück fällt mir der Unterschied zur Prosa und ihrer Rezeption noch stärker auf. Auch der Leser macht etwas mit meinem Text, indem er sich etwas vorstellt. Aber in die Gehirne der Leser kann ich nicht hineinschauen. Ich weiß nicht, welche Bilder mein Text projiziert und welcher persönlicher Assoziationen er sich dabei bedient. Wie dieser Prozeß verläuft, weiß ich von mir als Leserin, aber was mein Text in den Köpfen anderer für Vorstellungen bewirkt, erfahre ich nicht.
Hier, auf der Probebühne, erfahre ich, was mein Text bei anderen ausgelöst hat, mit welchem Konzept sich ein Regisseur wie Götz Fritsch ihm nähert und welche Art von Beseelung und Befleischung das durch einen Schauspieler wie Heribert Sasse zur Folge hat. Es ist faszinierend und ein wenig auch erschreckend, wie mir aus dem eigenen Text eine Figur entgegentritt, der ich nicht alles mitgegeben habe, was sie auf der Bühne braucht. Stimme, Haut und Haar stammen von einem anderen – und das macht mich staunen, immer wieder staunen. Es ist ,work in progress‘, die mein Text nur auslöst, über die er aber keine Macht hat. So spannend ist also Theater im Augenblick für mich.“
(Barbara Frischmuth)

 
Pressestimmen

Ein Ausnahmeereignis für das Volkstheater. Sasse stellt eine komplett ausgestattete Minimalhölle auf die Bühne. Er formt einen Seelenkrüppel wie von E. T. A. Hoffmann – eine groteske, perfekt verformte Kunstfigur.
Kronenzeitung

Ein fall für Sasse: den Meister der Explosion, der Eruption. Den großen Aktionskünstler des deutschsprachigen Theaters.
AZ-Tagblatt

Matte und zerfahrene Darbietung des Texts. Sasse kann die Spannung, die er aufbaut, nicht durchhalten, er steht zeitweise merkbar neben der Rolle. Die Schwächen der Darstellung verweisen auf die Schwächen des Texts.
Kurier

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