2000/01
Haupthaus |
Die Nashörner Premiere 11. Oktober 2000 Mit Inszenierung: Michael Schilhan Vitasek wirkt im ersten Akt wie jemand, der sich aus der Realität in die Inszenierung verirrt hat. Dann steckt seine Authentizität aber an. Sie treibt Toni Böhm zu einer Verwandlungsszene, in der als letzter humaner Begriff das Wort „Moral“ unter Würgen und Schlucken schauderhaft in Urlaute zerfällt. Vera Boreks Frau Ochs entfaltet herzzerreißendes Mitgefühl mit ihrem Nashorn gewordenen Mann. Und Chris Pichlers Daisy schwankt am Ende voll echten Zweifels zwischen Mensch und Tier, zwischen Kultur und Herde. Vitaseks Behringer nimmt als letzter Mensch das Publikum ins Visier. Er gelobt Widerstand. Indem das Publikum Beifall spendet, scheint es sich auf seine Seite zu schlagen.
Ionescos „Nashörner“, Synonym für ideologischen Massenwahn, erscheint an Inhalt frisch und treffend satirisch. Der Premierenabend hat den Zwang nach Hellhörigkeit verstärkt. Die Soundeinspielungen von Oliver Welter spiegeln exakt, was mit Volkskrankheit Rhinozeritis umschrieben werden kann. Auch wird der Sog des Stückes dank der rasch verschiebbaren Bühnenkonstruktion (Gerhard Fresacher) kaum unterbrochen. Die Aufführung hat einen modernen Anstrich, der sich aber näher besehen als bloßes ‚Drüberfarbeln’ enthüllt. Diese ‚Rhinopzeritis’ gleicht mehr einer Grippe. Damit verpufft auch der politische Impetus, der dieses Stück auf den Spielplan brachte. Der Inszenierung gelingt es, eine flotte, schlüssige und auch einigermaßen spannende Geschichte zu erzählen. Aber dass es Ionesco ums Ganze gegangen ist, dass er mit den Nashörnern seinen fundamentalen Ekel auf die Politik artikulieren wollte, dass die Parabel heillos im Weltuntergang mündet – das ist vielleicht zu ahnen, aber nicht zu spüren. Einzig Behringer beschwört im Schlussbild den letzten Menschen inmitten einer verwüsteten Welt, in der alles niedergetrampelt ist. |