2001/02
Haupthaus |
Nathan der Weise Premiere 24. März 2002 Mit Regie: Hans Escher
Hans Escher erzählt die Geschichte vom weisen Juden zur Zeit der Kreuzzüge im temporären Niemandsland. Sehr heutig, aber Gott sei Dank nicht aktualisiert. Und so ist ihm eine sehr stimmige, sehr kluge und letztendlich auch sehr packende Inszenierung gelungen. Das Ensemble um Thomas Stolzeti als umtriebigem Nathan wirkt homogen und engagiert. Viel Applaus für einen Nathan, der Lessings Text genügend Raum zur vollen Entfaltung bietet.
„Nathan der Weise“ im märchenhaften orientalischen Gewand, doch voller Zeichen der Resignation; im Palastsaal im orientalischen Stil – wie von einem Bühnenmeister des 19. Jahrhunderts gemalt – bröckelt der Putz von den Wänden, Schutt liegt auf dem Boden. Das Haus des Sultans, das des Handelsherrn Nathan, das Christenkloster? Nein, ein Durchhaus für Jud und Christ und Muselman, alle Schauplätze ließen sich verblüffend unkompliziert in dieser Einheitsdekoration (von Werner Schönolt) unterbringen. Ganz im Sinne der Gattungsbezeichnung „Ein dramatisches Gedicht“ entwickelt Escher das Stück allein aus dem Text heraus. Die Aufmerksamkeit wird so auf die vermittelten „Botschaften“ gelenkt. Dass das Ganze nicht in ein salbungsvolles Verkünden kluger Sentenzen ausartet, dafür sorgt vor allem Thomas Stolzeti in der Titelrolle. Er ist ein leiser, sanfter, Güte ausstrahlender Mann und dennoch kein Heiliger. Man nimmt es ihm ab, dass er auch beruflich erfolgreich ist; dabei stets bewusst seiner heiklen, exponierten Lage zwischen Juden und Christen. Die Welt des Islam wird verkörpert von Sultan Saladin. Günter Franzmeier zeichnet ihn als impulsiven „edlen Wilden“, der seine starke Emotionalität als „aufgeklärter Despot“ stets im Zaum zu halten bedacht ist. Die Christenheit repräsentiert sich im jungendlich-trotzigen Tempelherrn (Fritz Karl), der sich dennoch zuweilen an seinen überdimmensionierten Bihänder zu klammern scheint, so als suche er Halt. So groß ist seine Verwirrung und Unsicherheit – nicht nur im Gefühlsbereich. Dazu kommt die tratschsüchtige, zu schwärmerischer Frömmelei neigende Daja (Viktoria Schubert). Eine wohltuende Erscheinung ist Wolf Dähnes Klosterbruder. Das Ensemble spielt solide. Thomas Stolzeti gibt einen souveränen Nathan, Günter Franzmeier glänzt als jovialer Sultan Saladin. Dennoch prallt das Stück an einem ab: Es ist derart vorhersehbar, dass es einen nicht zu berühren vermag. Der Abend gestaltet sich rechtens zu einem Triumph. Denn Escher hat zwar das moderne Ambiente (Werner Schönolt/Birgit Hutter) dazu benützt, der Geschichte das Pathos der Kreuzfahrerzeit zu nehmen, aber er realisiert Lessings großes Toleranzstück so, wie es geschrieben steht, gibt den Protagonisten modernere Züge, ohne sie zu verzerren. Ein Saladin wie Günter Franzmeier ihn spielt, lässt zwar merken, dass der allmächtige Sultan ein in vieler Hinsicht unsicherer Mensch ist, nimmt ihm aber nichts von dem Anstand, den Lessing ihm gegeben hat. Der Tempelherr des Fritz Karl, sehr unfrisiert und sehr schlecht gelaunt, zeigt die Unsicherheit, die aus unreflektierten Emotionen erwächst. Heinz Petters, Hannes Gastinger, Wolf Dähne sind für starke Farbtupfer in dem Gesamtgefüge zuständig. Doch über allem steht Nathan: Thomas Stolzeti ist ein Mann der Stille. Ein klasssicher Fall von gut gemeint. Hans Escher hat ganz vergessen, an seinen Ruf als ideenreicher und innovativer Regisseur zu denken. |