Romulus der Große
von Friedrich Dürrenmatt
Premiere 1. April 1993 (Bezirke)
3. September 1993 (Haupthaus)
Romulus: Heinz Petters
Julia, seine Frau: Brigitte Swoboda
Rea, sein Tochter: Birgit Linauer
Ämilian, römischer Patrizier: Herbert Föttinger
Mares, Kriegsminister: Michael Herbe
Tullius Rotundus, Innenminister: Georges Kern
Spurius Titus Mamma, Reiterpräfekt: Serge Falck
Achilles, Kammerdiener: Wolfgang Klivana
Pyramus, Kammerdiener: Wolf Dähne
Apollyon, Kunsthändler: Bernhard Hall
Cäsar Rupf, Industrieller: Uwe Falkenbach
Odoaker, Fürst der Germanen: Roger Murbach
Theoderich, sein Neffe: Hubert Spiess
Köchin/Dienstbote: Kristina Burchhart
Dienstmann: Romuald Olczykowski
Inszenierung: Georg Lhotsky
Bühne und Kostüme: Kony Müller
Villa des Kaisers Romulus in Campanien, März 476 n.Chr. Die Germanen nicken auf Rom vor, doch der römische Kaiser Romulus unternimmt nichts. Er hat sich aufs Land zurückgezogen und züchtet Hühner. Den Vorschlag des Hosenfabrikanten Rupf, den Germanenführer mit Geld von seiner Eroberungsabsicht abzubringen, wenn man ihm die Kaisertochter Rea zur Frau gebe, weist Romulus zurück: Reas Glück sei ihm wichtiger als der Staat. im Gespräch mit Reas Verlobtem Amilian, der von den Germanen gefoltert worden ist, enthüllt Romulus, daß er das Reich durch seine Inaktivität bewußt an den Rand des Untergangs getrieben hat. Wegen seiner blutrünstigen Vergangenheit stehe Rom nur noch die Opferrolle zu. Ein gegen Romulus gerichtetes Mordkomplott der patriotisch Gesinnten scheitert an der List eines Kammerdieners. Beim Eintreffen von Odoakers Truppen ist der Kaiser schon darüber informiert, daß die eigenen Angehörigen und Höflinge auf der Flucht ertrunken sind. Er führt mit Odoaker ein Gespräch über Hühner – und über die Weltlage, wobei sich herausstellt, daß auch der Eroberer nicht über Rom herrschen will. Er fürchtet, daß die Germanen, angestachelt durch seinen Neffen Theoderich, ein Reich errichten könnten, das sich ebenfalls auf Blut gründet, und bietet Romulus die Weltherrschaft an, »bevor die Germanen endgültig ein Volk der Helden geworden sind«. Man verständigt sich darauf, daß Odoaker den Thron besteigt, damit die Römer unter seiner Regentschaft zumindest einige Jahre Frieden erleben. Romulus zieht sich auf seinen Ruhesitz zurück. Das Römische Reich hat aufgehört zu existieren.
Pressestimmen
Georg Lhotsky inszenierte das klug gegen Krieg und staatliches Unrecht polemisierende Stück angenehm verhalten. Heinz Petters stattet Romulus reich mit sympathischen Zügen, aber auch mit einem wienerischen Hauch todessüchtiger Tragik aus. Alle anderen tragen zum anregenden Abend bei.
Ai, Kronenzeitung
Dürrenmatts durchaus „ungeschichtliche“ Komödie über die Verwerflichkeit des Machtstrebens, den falschen Patriotismus, die Unmenschlichkeit der „Sieg um jeden Preis-Ideologie“ schmeckt abgestanden. Ihr Humor ist, kurzgesagt, ein bernischer, ihr Stil unentschlossen zwischen Anliegen-Dramatik und altrömischem Kabarett.
Duglore Pizzini, Die Presse
Vielleicht wäre es gelungen, den Hauch von Patina, der sich in der langen Zeit auf dem Stück ansetzte, zu entfernen und matt gewordene Stellen aufzupolieren, wenn Georg Lhotsky mehr Animo entwickelt hätte. Doch so versacken Szenen in einer Grauzone zwischen Ernst und Satire. Heinz Petters hüllt sich in eine Kleingärtnerresignation wie in eine aschfarbige Toga.
Gunther Martin, Wiener Zeitung