2001/02
Haupthaus

Der Talisman
von Johann Nestroy

Premiere 16. Dezember 2001

Titus Feuerfuchs: Toni Böhm
Salome Pockerl: Maria Bill
Frau von Cypressenburg: Maria Urban
Emma, ihre Tochter: Inge Altenburger
Constantia, Kammerfrau: Johanna Mertinz
Flora Baumscheer: Erni Mangold
Plutzerkern: Karl Ferdinand Kratzl
Herr Marquis: Wolf Dähne
Spund: Alfred Rupprecht
Dr. von Platt: Peter Vilnai
Musiker:
Gerald Preinfalk/Klaus Gesing (Reeds)
Meslissa Coleman/Edda Breit (Cello)
Aliosha Biz/Mario Gheorghiu (Violine)

Inszenierung: Michael Schottenberg
Bühne: Hans Kudlich
Kostüme: Erika Navas
Musik: Sabina Hank

 
Eine Komödie über die Macht des Vorurteils. – Titus Feuerfuchs und Salome Pockerl sind Inbegriff der Angehörigen einer diskriminierten Minderheit. Heute sind es zwar nicht mehr undbedingt die Rothaarigen, die damit leben müssen, dass sich die Merhheit ihr Mütchen an ihnen kühlt, aber was es bedeutet, einfach nicht dazu zu gehören, ist auch heute allzuvielen Menschen kein Geheimnis.
Dass der verzweifelt um eine Existenz strampelnde Titus Feuerfuchs und die ebenso rotkopferte und ebenso gedemütigte Salome Pockerl in dieser Produktion unerwartet „reif“ besetzt sind, sollte ihrer Verzweiflung noch existentielleres Gewicht verleihen.
Wie Titus und Salome mit ihrer Außenseiterrolle umgehen, das macht immer wieder Spaß zu spielen und zu sehen. Natürlich auch zur 200. Wiederkehr von Nestroys Geburtstag.
„Der Talisman“ zählt zu Nestroys beliebtesten Stücken, weil hier neben dem brillanten Sprachwitz auch eine besonders gut gebaute Komödienhandlung für Unterhaltung sorgt.

 
Pressestimmen

Wenn hier Maria Bill über die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts singt, so klingt sie überraschend grimmig und aufgeraut: Auf den Titus kommt hier eine Räuberbraut zu, deren Eröffnungssong an den Stückanfang gestellt wurde, um ihr das gleiche Gewicht zu verleihen wie dem Feuerfuchs. Diesen mit Toni Böhm zu besetzen ist mutig und klug zugleich, weil es jedes Rollenklischee unterwandert: Böhm ist weder jung noch schön, noch quirlig. Desto besser kann er aber die abstrakten Mechanismen freilegen.
R. Reichensperger, Der Standard

Dass Michael Schottenberg kurz vor der Neige des Jubiläumsjahres die mit Abstand gelungenste Nestroy-Inszenierung auf die Bühne brachte, freut in Anbetracht des Übersättigungsgrades. Genauso beweglich wie das Bühnenbild (Hans Kudlich) agieren die Protagonisten, allen voran Toni Böhm und Maria Bill. Während Böhm alias Titus Feuerfuchs einen Spagat zwischen Gewissen, Recht und (ersehnter) Gerechtigkeit vollzieht, wahrt Salome in jedem Moment ihre Authentizität. Maria Bill leiht Salome Pockerl enorme Kraft, gepaart mit weiser Zurückhaltung. Eine Kombination, die überaus berührt und dieser oftmals verkannten Figur neue Spannkraft ins rote Haar spielt. Ebenfalls genial die von Sabina Hank konzipierte musikalische Live-Komponente (Gerald Preinfalk, Melissa Coleman, Aliosha Biz), die Melancholie in Wort und Klang fasst. Gemeinsam mit der hochkarätigen Gesamtleistung des Volkstheater-Ensembles (Maria Urban, Inge Altenburger, Karl Ferdinand Kratzl, Johanna Mertinz, Wolf Dähne, Alfred Rupprecht, Peter Vilnai; grandios: Erni Mangold) schafft Schottenberg eine fantasievolle Symbiose aus Zeitkritik, innerer Gestimmtheit und Esprit.
C. Dobretsberger, Wiener Zeitung

Brillant setzt Schottenberg jeden einzelnen Charakter in Szene, transferiert Nestroy in die Gegenwart und erzählt ein berührendes, modernes Märchen. Eine Sichtweise, der die durchwegs exzellenten Schauspieler mit Freude folgen. So gibt Toni Böhm einen um jedes Übel hilflos-wissenden Titus, den erst die Liebe zum Sehenden macht. Maria Bill verkörpert diese starke, die wahren Werte erkennende Salome mit unaufdringlicher Intensität. Grandios auch Erni Mangold als am Rande des Abgrunds wandelnde Flora, die sich mit dem letzten, verstörten Faucher ihrem gescheiterten Dasein ergibt. Die billige Affären genießende Kammerfrau (Johanna Mertinz), die im Rollstuhl sitzende Frau von Cypressenburg (Maria Urban) und deren um ihre Sexualität betrogene Tochter (Inge Altenburger) –  in Schottenbergs subtiler Regie mutieren sie zum fast gespenstischen Inbegriff des Scheiterns.
P. Jarolin, Kurier

Schottenbergs Nestroy ist aus einem Guss, der Gegenwart zugewandt und doch ohne Moden, pur, wienerisch, unverfälscht. Toni Böhms „abgebrannter“ Antiheld findet Trost im Magenbitter, hat viele Wahrheiten auf den Lippen und ist doch ein Suchender. Maria Bill als sein rothaariges Pendant schleicht leise heran. Mit Schwermut im Herzen wartet diese herrliche vorstädtische Hendl-Ausnehmerin auf ihren Titus. Ohne Theatralik, still und tragisch. Erni Mangold genügen oft Blicke, die Bände sprechen.
T. Gabler, Kronenzeitung

Dem Volkstheater fehlt ein stilsicheres Ensemble. Um einen ‚neuen Nestroy’ auszuprobieren, griff man zurück auf schon tausendmal kopierten Unterhaltungs-Schrott. Kann er noch ein paar Junge ins Theater locken? Schottenbergs Nestroy langweilt.
Die Presse

Alles so heutig wie möglich – und nichts stimmt mehr. Hat Nestroy an diesem Abend überlebt, zumal man echt primitiv dazugedichtet hat? Nicht wirklich.
Neues Volksblatt

Produktionen T