Der tollste Tag
von Peter Turrini
frei nach Beaumarchais
Premiere 10. Mai 2003
Mit
Gabriela Benesch (Gräfin)
Wolf Dähne (Antonio)
Günter Franzmeier (Figaro)
Rainer Frieb (Almaviva)
Christoph von Friedl (Cherubin)
Robert Hauer-Riedl (Bartholo)
Chris Pichler (Susanne)
Roger Murbach (Don Guzman)
Brigitte Neumeister (Marcelline)
Rolf Schwab (Brecheisen)
Jakob Seeböck (Zettelkopf)
Christoph Zadra (Bazillus)
Inszenierung: Josef Ernst Köpplinger
Bühne und Kostüme: Heidrun Schmelzer
Musik/Akkordeon: Stefan Sterzinger
„Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit“ heißt eine Komödie des umtriebigen Erfinders, Literaten und Spekulanten Beaumarchais, deren Uraufführung im Jahre 1784 nicht nur der Triumph einer genialen Intrigenkomödie wurde, sondern erstmals Gesellschaftskritik auf das Theater gebracht hat. Napoleon hat später gesagt, damit sei die Revolution anmarschiert, die wenig später den darin bloßgestellten korrupten Adel hinweggefegt hat.
Die unermüdlichen Pläne des Grafen, Figaros Braut Susanne vor der Hochzeit geschwind zu vernaschen, durchkreuzt nämlich der einfallsreiche Diener mit einer guten Portion Frechheit und messerscharfem Witz.
Fast zweihundert Jahre später nahm sich Peter Turrini den nicht zuletzt durch Mozarts geniale Opernversion unsterblich gewordenen Stoff vor, „um damit etwas auszuprobieren: das Verhältnis von Witz und Macht. Oder: von Sprache und Tatsachen.“ Naturgemäß erweist sich die Gewalt im Licht der praktischen Erfahrung stärker als der Witz, und messerscharf werden die Konsequenzen. So büßt in Turrinis Fassung das Stück seinen letzten Akt und damit das Happy end ein. Obwohl – oder gerade weil – bis dahin die virtuosen Sprachspielereien und kritischen Entlarvungen den Widerstand durch das Wort zum Pointenfeuerwerk gemacht haben.
„Der tollste Tag“ hat sich längst als eigenständiger Komödienklassiker nicht nur im deutschsprachigen Theater durchgesetzt.
Pressestimmen
Das Herrschaftsinstrument, predigt Turrini, erübrigt den Witz. Figaros Intrigenspinnerei bringt das grausame Antlitz der Macht nur umso ungeschminkter zum Vorschein. Das ist nun so schenkelschlagend wahr wie banal. Noch in Josef Ernst Köpplingers gescheiter Volkstheater-Inszenierung, die Emmy Werners Haus einen tadellosen Saisonabschluss beschert, ist es nicht die Tollheit gräflicher Willkür, die zu Kundgebungen des Abscheus verleitet.
Eher schon darf der weiß gepuderte, mundwinkelzuckende Almaviva (Rainer Frieb) als die einzige moderne Figur in der Komödie von 1972 angesehen werden: Ein storchenbeiniger, die Worte säuerlich abschmeckender Agent jener unbürgerlichen Formen der Ausschweifung, die man in keiner Anstandsfibel, sondern in den aufschlussreicheren Schriften des göttlichen Marquis de Sade findet.
Vor einem wechselseitig zu bespielenden Verhau aus ineinandergekrallten Messingbetten (Bühne: Heidrun Schmelzer) gelingen die Szenen dann, wenn sie nicht komödienhaft prall, sondern unzeitig liebesbegierig, sozusagen in schaurig schönen, traurig imprägnierten Wortmusikfetzen vorüberwehen.
Denn die hennarote, vernachlässigte Gräfin (Gabriele Benesch) will ebenso um ihrer selbst willen begehrt werden wie die alte Marcelline (Brigitte Neumeister), die sich auf dem frei stehenden Bett in des Grafen Kammer als lebende Leiche zur Probe legt. Alle führen die besten Gründe ins erotische Treffen; alle scheinen sie aber hauchzart zu ahnen – selbst der flatterhafte Cherubin (Christoph Friedl) –, dass die Freiheit, die sie meinen, nicht bloß an der ständischen Ordnung des lasterhaften Rokoko zuschanden geht.
So ist der gräfliche Intrigenlieferant Bazillus (Christoph Zadra) der heimliche Star in einer allseitig offenen, Fragen provozierenden Aufführung: mit der ungezügelten Haarpracht eines entlaufenen Jesuiten, schleppender Stimme und schmachtenden Augen, die irgendwo, in unbestimmten Fernen, vor Anker gehen, gibt er eine kuriose Kreuzung aus Tartuffe und Charles Manson. – „Revolution!?“, ruft dieser Büttel. Die Frage ist offen noch. Jede Generation hat sie mit anderen Antworten zu bestehen. Höchst erfreulicher Applaus.
Ronald Pohl, Der Standard
Rainer Frieb spielt den Grafen spöttisch lüstern, zynisch herablassend, mit kindischer Aggressivität und besitzergreifender Sexualität. Er hat die dankbarste Rolle des Stücks und reizt sie mächtig aus – zusammen mit Christoph Zadra als seinem schmierigen Intriganten-Diener Bazillus, den Gerechtigkeitshändlern Roger Murbach und Jakob Seeböck und dem wunderbar betrunkenen Gärtner Wolf Dähne. All das macht „Der tollste Tag“ im Volkstheater zu einem amüsanten, sehenswerten Theaterabend.
Christina Böck, Presse
Chris Pichler und Günter Franzmeier treffen den richtigen Ton. Geschmeidig und kraftvoll ziehen sie die Fäden, necken einander, um einander im Mut zu bestärken, den sie brauchen, wenn sie den Grafen in die Schranken weisen wollen. Ein tolles Paar.
Josef Ernst Köpplinger setzt auf körperbetontes, rasches Spiel und erzielt dadurch Wirkung.
Alfred Pfoser, Salzburger Nachrichten
Josef Ernst Köpplinger inszenierte flott und ohne eigene Eitelkeiten. Homogen und in bester Spiellaune das Ensemble, allen voran Günter Franzmeier, Chris Pichler, Rainer Frieb und Christoph von Friedl.
Christine Dobretsberger, Wiener Zeitung
Rainer Frieb präsentiert sich als gelangweilter Graf Almaviva, der sich seinen „Kick“ bevorzugt mit dem Standesvorrecht der „ersten Nacht“ besorgt. Gabriela Benesch zeigt die Gräfin anfangs als untadelige Adelige, die sich als unterbelichtete Gierige entpuppt. Susanne (Chris Pichler) erscheint als selbstbewusste Persönlichkeit, die gräfliche Unfugabwehr betreibt, ehe sie vor den Machtverhältnissen resigniert. Günter Franzmeiers Figaro kommt als interessanter, brüchiger Typ daher: Raffiniert durchtrieben und dann doch wieder entsetzt über den Grafen. Bei den Nebenrollen ragt Brigitte Neumeister als tragikomische Marcelline hervor.
Reinhold Reiterer, Kleine Zeitung
So holt sich Wolf Dähne auf Heidrun Schmelzers schön stilisierter Bühne als betrunkener Gärtner einen sehr berechtigten Szenenapplaus. Chris Pichler zeichnet die Susanne mit Witz, Charme und unbändiger Freude am Spiel. Eine Charakterstudie zwischen Lachen und Weinen, bei der die Balance zwischen Tragik und Komik stimmt. Jubel auch für das übrige Ensemble und für Autor Peter Turrini.
Peter Jarolin, Kurier
Günter Franzmeier verfängt sich mit Chris Pichler als seiner niedlichen und kämpferischen Susanne im Gespinst aus unzähligen, abgenützten Messingbetten des Grafen (Bühne: Heidrun Schmelzer), sucht das Menschliche im komödiantisch lauten Spiel.
Thomas Gabler, Kronenzeitung
Ironie der Geschichte ist es jedoch, dass auch Turrinis Komödie ihre bitterböse Kraft verloren hat, der Witz bemüht und aufgesetzt wirkt, die dramentheoretischen Diskurse zu überholten Gemeinplätzen der Selbstreflexion abdriften.
Köpplinger nimmt in vorauseilendem Komik-Gehorsam den bewährten Wiz von Verwechslungen. Hektisch bemüht spaßig zu sein, verschenkt er die Pointen des Stücks angesichts einer mangelnden Auseinandersetzung mit der Subversität des Witzes, während das Ensemble eine Sinnlichkeit mimt, die selbst den interessiertesten Zuschauer ermatten lässt. Klinisch sauber werden die Zoten zur Konsumierbarkeit entschärft.
Julia Danielczyk, Die Furche