Unverhofft
von Johann Nestroy
Musik von Adolf Müller
Premiere 20. Dezember 1994
Herr von Ledig: Heinz Petters
Walzl: Rudolf Strobl
Gabriele: Doris Weiner
Falk: Albert Rolant
Arnold: Günther Wiederschwinger
Berg: Matthias Rehrl
Marie Falk: Alexandra Braun
Frau Schnipps: Brigitte Swoboda
Frau Nanni: Elisabeth Gassner
Anton: Raimund Herbst
Inszenierung: Rudolf Jusits
Bühne: Christian Feichtinger
Kostüme: Mimi Zuzanek
Musikalische Leitung: Michael Kienzl
Ledig, alternder Junggeselle, Partikulier und reich, ist ausschließlich damit beschäftigt, sein Leben zu genießen: bescheidene Genüsse: Tarockieren etwa mit noch älteren und genauso ledigen Freunden, deren Vergnügen wie seins vergrößert wird dadurch, daß sie einer Ehefrau oder für Kinder nicht verantwortlich sind.
Aber die Idylle. die der selbstzufriedene Egoist Ledig, der mit sich „vollkommen einverstanden“ ist, glaubt friedlich leben zu können, gerät alsbald in Gefahr; und sichtbar wird, allerlei Mißverständnisse und Verwicklungen entlang und in aller Heiterkeit der Posse, eine Welt, die — während sie noch besteht auf Harmonie und gemütliche Zufriedenheit — unaufhaltsam auf ihr Ende zustrebt.
„Unverhofft“ beschreibt 1845 biedermeierliche Verhältnisse in all ihrer Brüchigkeit als eine seltsam vertraute Welt, die ihre Abgründe unter einer gnadenlos geschönten Oberfläche zu verbergen sucht.
Johann Nestroy, ein sokratischer Dialektiker und kantischer Analytiker, eine shakespearisch ringende Seele, die mit einer wahrhaft kosmischen Phantasie das Maßsystem aller menschlichen Dinge verzerrte, um diese eben dadurch erst in ihren wahren Dimensionen aufleuchten zu lassen. Dieser schöpferische Ironiker in Nestroy war seinen Zeitgenossen völlig unbekannt. Daß dem so ist, kommt daher, (…) daß Nestroy in einer Stadt wirkte, die von jeher eine unglaubliche Virtuosität darin besessen hat, sich ihrer Erzieher zu entledigen und jedermann, der ihr durch Wahrheitsliebe unbequem wurde, zum Jongleur und Bajazzo zu degradieren.
Und doch muß man andererseits sagen, daß wohl nur in Wien ein solcher Genius entstehen konnte, dessen Grundwesen sich nicht anders als barock nennen läßt. Wien, das in den Tagen der Barockzeit seinen kulturellen und künstlerischen Höhepunkt erklommen hat, ist im Grunde bis zum heutigen Tage in seinen eigenartigsten und sichtbarsten, reichsten und feinsten Lebensäußerungen eine Barockstadt geblieben. Und Nestroy ist der größte, ja einzige Philosoph, den sie hervorgebracht hat. Daß dies noch immer von vielen nicht eingesehen wird, liegt an der verbreiteten irrtümlichen Meinung, daß ein Philosoph ein so genannter ernster Mensch sein müsse. Man könnte aber gerade im Gegenteil sagen, daß der Philosoph erst dort anfängt, wo der Mensch damit aufhört, sich und das Leben seriös zu nehmen.
Nestroy war ein Philosoph auch darin, daß er kein System besaß. Deshalb hat er auch niemals ein politisches Programm gehabt und galt gleichermaßen den Konservativen als bedenklicher Umstürzler wie den Liberalen als finsterer Reaktionär. Von rechts und links angefeindet zu werden, ist aber immer das Los aller echten Komödientemperamente, die die Dinge gar nicht anders als von oben betrachten können, von einem erhöhten Standpunkt olympischer Heiterkeit, vor dem rechts und links nur zwei Hälften und meistens zwei recht lächerliche Hälften desselben menschlichen Grundwesens sind. Er war ein Auflöser der Romantik, ein unerbittlicher Unterminierer alles Pathos und Zerreißer lebensverfälschender Illusionen. Aber es war eine seltsame Tragikomödie im Leben Nestroys, daß seine Generation den großen Zeitkritiker und Gesellschaftssatiriker, den sie so dringend nötig hatte, in ihm nicht erkannte.
Und über das alles hinaus hat Nestroy in seinen Lustspielen die ganze Luft seiner Stadt und Zeit eingefangen, einer Zeit, die in ihrer eigenartigen Poesie so nie wiederkehren wird. In dieser Welt gibt es keine Berufe. Die meisten Menschen sind Rentner oder, wie man damals in Wien sagte, Partikuliers. Die Professionisten arbeiten nicht. Die Tätigkeit der Ingenieure besteht darin, daß sie in ihre Mündel verliebt sind, die Baumeister haben noch nie einen Grundriß gesehen. Geld ist Trinkgeld, und die soziale Frage wird durch Haupttreffer, Mitgiften und Erbschaften gelöst. (Egon Friedell)
Pressestimmen
Ein Treffer ersten Ranges. Keine Frage, daß Nestroy an diesem Theater mehr als anderswo aufgehoben ist. Die Wirkung eines Tornados.
Kronen Zeitung
Ein lockerer, unverkrampfter, nicht zwanghaft um neue Wege zu diesem großen Wiener Genie bemühter Nestroy-Abend, der den Aberwitz der Handlung mit Augenzwinkern nimmt und Nestroys Sprachkunststücke glänzen läßt.
Die Presse
Der Pfeffer, der fehlt allenthalben. Denn wenn im Volkstheater nach einer geschlagenen Stunde noch immer kein befreiendes Lachen aufkommt, dann will das etwas heißen.
Der Standard