2000/01
Haupthaus frontal |
Waikiki – Beach. Premiere 11. Februar 2001 Helene Hofrichter: Birgit Doll Inszenierung: Michael Kreihsl Erfreulicherweise vertritt das Volkstheater nicht die Philosophie, Stücke österreichischer Zeitgenossen nicht nachzuspielen, wenn sie anderswo das Licht der Bühnenwelt erblickt haben. Im Gegenteil: Mit Michael Kreihsl wurde einer der bemerkenswertesten jüngeren Regisseure verpflichtet, mit Birgit Doll und Alexander Goebel standen zwei Hochkaräter zur Verfügung. Bekenntnis also zu größtmöglichem Anspruch. Eingelöst wurde er am Sonntag faszinierend, effektvoll, poetisch durchdringend und zynisch. Streeruwitz ist eine wichtige, brillante, unangenehme Dramatikern. Intelligentes, effektvolles, kurzweiliges Theater. Vergnügen für den Kopf. Was das Stück interessant macht, ist seine Rasanz, die Mischung von Stilen, Realitätsebenen – Birgit Doll trägt die Aufführung, eine beeindruckend flackernde Mixtur aus kaltem Zynismus, jäher Wärme und abgrundtiefer Verlassenheit. Alexander Goebel ist ein ganz normaler Mann, durchaus verbindlich, geduldig, ernst, erst, wenn gar nichts mehr geht, gewalttätig. Eine plausible Darstellung, doch ein wenig zu konventionell für diesen experimentellen Text. Michael Kreihsl hat allerdings für seine Inszenierung auch nicht den richtigen Ton gefunden. Pointierter, überdrehter, plakativer könnte dieser Text vielleicht eine bessere Wirkung erzielen. Birgit Doll beweist in Marlene Streeruwitz’ „Waikiki-Beach.“ einmal mehr, wie viel darstellerische Kraft in ihr steckt. Der Auftakt ist prächtig. Doll und Goebel liefern einander im originellen Abbruchhaus am Stadtrand (Bühnenbild: Bernhard Kleber) einen beherzten Wiener Beziehungsclinch. Beide haben ausgiebig Gelegenheit, sich sprachlich aufzuplustern. Aus dem Tête-à-tête ergibt sich ein harsches, ungemein temperamentvoll gespieltes Sitten- und Familienbild. Ein Unternehmen, das geglückt ist, weil es den komplexen Anforderungen dieser innovativen Theaterautorin standhält. Kreihsl findet die adäquaten Mittel, um den für Streeruwitz charakteristischen Stilmix, in dem verschiedene sprachliche, ästhetische und formale Ebenen durcheinander gewirbelt werden, umsetzen zu können. Nicht nur das vielschichtig schillernde Paar Doll und Goebel stechen hervor, sondern auch die liebevoll herausgearbeiteten Randkonstellationen – wie die verstörende Episode zwischen dem kaputten Skinhead (Raphael von Bargen) und der Strotterin, die vielleicht seine Mutter ist (berührend in ihrer Sprachlosigkeit Johanna Mertinz). Streeruwitz hat das Feeling dafür, die eiskalt ritualisierte Welt von heute auf der Bühne zum Tanzen zu bringen. Birgit Doll auf der Suche nach einem warmen menschlichen Gefühl ist allein auf weiter Flur. In der routinierten, distanzierten Glätte von Alexander Goebel findet sie es nicht. Wenn dann die Skinheads auf die Bühne stürmen, bekommen Stück und Aufführung die Besucher in den Würgegriff: Da werden ganz reale Ängste wach. Wie dann allerdings die Leichen beseitigt und die schmutzigen Politgeschäfte damit besiegelt werden: das ist dann schon wieder schaurig anheimelnde Realität. Fritz Hammel zeigt an der Leiche kurz, dass er weiß, wie man für die Medien schluchzt. Als schneidiger Skinhead-Führer verbreitet Wolfram Rupperti Angst. So wie der ganze Abend. Vor allem sprachlich kommt von Streeruwitz’ Stakkato nichts herüber, weil alle zu realistisch betont wird. |