1991/92
Haupthaus |
Weh dem, der lügt! Premiere 10. Mai 1992 Gregor, Bischof von Chalons: Georg Trenkwitz Inszenierung: Stephan Bruckmeier Der nahezu fanatisch wahrheitsliebende und damit rigoros weltfremde Bischof Gregor von Chalons gibt seinem Küchenjungen Leon, der sich aufmacht, des Bischofs Neffen Atalus aus seiner Geiselhaft beim Grafen Kattwald im Rheinland zu befreien, den Auftrag, den Befreiungsversuch nur ohne Hilfe von Lüge und Falschheit zu unternehmen, sonst wolle er Atalus nicht zurück. Leon verspricht, dieses Gebot zu erfüllen, und hält sein Versprechen, so gut er kann; und lügt durch Übertreibung und Ironisierung: nur die Worte sind wahr. – Eine Komödie, die mit Sprachgebrauch und Sprachmißbrauch experimentiert, in der die Grenzen der Wahrheit als die Grenzen der Sprache erscheinen; was auf die Untersuchungen Ludwig Wittgensteins (der das Werk Grillparzers hochgeschätzt hat) vorausweist, wonach absolute Wahrheit nur im Schweigen zu orten ist – mit Edritas Worten gesagt: „So laß uns schweigen, dann sind wir am wahrsten.“ Es entsteht ein grelles Pop-Märchen mit Versatzstücken der Comics-Literatur, mit Slapstick-Einlagen und knalliger Komik, die auch ungescheut blödelt und dennoch den Text-Puristen nicht verschrecken dürfte. Daß manche Ansätze noch der Verdichtung bedurft hätten, daß dem Stück wohl noch mehr abzugewinnen gewesen wäre, mag an der kurzen Vorbereitungszeit liegen. Aber dann bleibt doch die entzückende Liebesgeschichte zwischen Leon und Edrita, die Franziska Sztavjanik mit aller ironischen Sympathie für naives Mädchentum ausstattet. Und wer dürfte mehr als die Liebe fordern. Herausgekommen ist eine Asterix-Paraphrase, die sich aus der Geschichte vom Küchenjungen Leon eine zweifelhafte Gaudi macht. Diese Inszenierung versteht sich als parodistische Travestie und nicht als seriöse Interpretation. Passiert ist, daß in überaus gewagten Bühnenbildern (Luise Czerwonatis) eine moderne Schauspieltruppe, geführt von einem avantgardistischen Regisseur, Grillparzers wunderbare Verse nicht deklamiert, nicht aufsagt, sondern mit größter Natürlichkeit hören läßt. Nie hatte man das Gefühl, die Schauspieler seien der Fülle der Posie, die Grillparzer ihnen in den Mund leg, nicht gewachsen. Grillparzer in einer Fassung, die auch ein junges Publikum anspricht. Stephan Bruckmeiers Inszenierung ist locker und respektlos. Das Lustspiel aus dem Biedermeier wird mit allen Mitteln des damaligen Volkstheaters vorgeführt. Karikaturistisch ist die Darstellung, besonders bei den Barbaren gibt es einiges zu lachen. Als Küchenjunge Leon, der mit der Wahrheit lügt, ist Cornelius Obonya von starker Präsenz. Franziska Sztavjanik hat eine anmutige Robustheit, Fritz Hammel stattet einen Tolpatsch von Adel mit hübschem Charme aus. Als ungeschlachte Germanen sorgen Michael Rastl und Hannes Gastinger für zahlreiche Lacher. Eine gelungene Aufführung von schwereloser Heiterkeit. |