1991/92
Haupthaus

Weh dem, der lügt!
von Franz Grillparzer

Premiere 10. Mai 1992
Wiederaufnahme Spielzeit 1992/93

Gregor, Bischof von Chalons: Georg Trenkwitz
Atalus, sein Neffe: Fritz Hammel
Leon, Küchenjunge: Cornelius Obonya
Kattwald, Graf im Rheingau: Michael Rastl
Edrita, seine Tochter: Franziska Sztavjanik
Galomir, ihr Bäutigam: Hannes Gastinger
Der Schaffner Kattwalds: Wolfgang Klivana
Ein Pilger: Gerhard Steffen
Ein Fischer: Wolf Dähne
und: Günter Baumann, Gernot Berger, Alexander Jagsch,
Max Schmiedl, Markus Wasner, Mark Wechselberger

Inszenierung: Stephan Bruckmeier
Bühne: Luise Czerwonatis
Kostüme: Ingrid Leibezeder

Der nahezu fanatisch wahrheitsliebende und damit rigoros weltfremde Bischof Gregor von Chalons gibt seinem Küchenjungen Leon, der sich aufmacht, des Bischofs Neffen Atalus aus seiner Geiselhaft beim Grafen Kattwald im Rheinland zu befreien, den Auftrag, den Befreiungsversuch nur ohne Hilfe von Lüge und Falschheit zu unternehmen, sonst wolle er Atalus nicht zurück. Leon verspricht, dieses Gebot zu erfüllen, und hält sein Versprechen, so gut er kann; und lügt durch Übertreibung und Ironisierung: nur die Worte sind wahr. – Eine Komödie, die mit Sprachgebrauch und Sprachmißbrauch experimentiert, in der die Grenzen der Wahrheit als die Grenzen der Sprache erscheinen; was auf die Untersuchungen Ludwig Wittgensteins (der das Werk Grillparzers hochgeschätzt hat) vorausweist, wonach absolute Wahrheit nur im Schweigen zu orten ist – mit Edritas Worten gesagt: „So laß uns schweigen, dann sind wir am wahrsten.“
Aber nicht nur um Lüge und Wahrheit geht es in Weh dem, der lügt!, dieser philosophischen Komödie, die bei der Uraufführung am Burgtheater 1838 zum Skandal geriet; und nicht nur der Zusammenprall zweier Kulturen wird thematisiert, die – miteinander im Krieg – zu keiner Harmonie gelangen können; sondern der Sieg der praktischen Vernunft (Leons, Edritas), die innere Wahrhaftigkeit höher stellt als wörtlich-äußerliche, über die weltfremde (Gregors) ist auch der Sieg der Rebellion der gesellschaftlich Deklassierten (des Küchenjungen, der jungen Frau ohne jedes Recht auf Selbstbestimmung) gegen die starre Ordnung von Adel und Kirche, gegen die Herrschaft der Väter.
Somit ist Weh dem, der lügt! auch eine demokratische Komödie, die ihre satirische Energie aus ihrer Verwandtschaft mit der Alt-Wiener Volkskomödie bezieht, die seit jeher listig-subversiv (über historische Gebundenheit hinaus bis heute) antritt gegen den Hochmut der Mächtigen, die Selbstgefälligkeit der Entscheidungsträger auf allen Ebenen.

 
Pressestimmen

Es entsteht ein grelles Pop-Märchen mit Versatzstücken der Comics-Literatur, mit Slapstick-Einlagen und knalliger Komik, die auch ungescheut blödelt und dennoch den Text-Puristen nicht verschrecken dürfte. Daß manche Ansätze noch der Verdichtung bedurft hätten, daß dem Stück wohl noch mehr abzugewinnen gewesen wäre, mag an der kurzen Vorbereitungszeit liegen. Aber dann bleibt doch die entzückende Liebesgeschichte zwischen Leon und Edrita, die Franziska Sztavjanik mit aller ironischen Sympathie für naives Mädchentum ausstattet. Und wer dürfte mehr als die Liebe fordern.
Der Standard

Herausgekommen ist eine Asterix-Paraphrase, die sich aus der Geschichte vom Küchenjungen Leon eine zweifelhafte Gaudi macht. Diese Inszenierung versteht sich als parodistische Travestie und nicht als seriöse Interpretation.
Salzburger Nachrichten

Passiert ist, daß in überaus gewagten Bühnenbildern (Luise Czerwonatis) eine moderne Schauspieltruppe, geführt von einem avantgardistischen Regisseur, Grillparzers wunderbare Verse nicht deklamiert, nicht aufsagt, sondern mit größter Natürlichkeit hören läßt. Nie hatte man das Gefühl, die Schauspieler seien der Fülle der Posie, die Grillparzer ihnen in den Mund leg, nicht gewachsen.
Täglich Alles

Grillparzer in einer Fassung, die auch ein junges Publikum anspricht. Stephan Bruckmeiers Inszenierung ist locker und respektlos. Das Lustspiel aus dem Biedermeier wird mit allen Mitteln des damaligen Volkstheaters vorgeführt. Karikaturistisch ist die Darstellung, besonders bei den Barbaren gibt es einiges zu lachen. Als Küchenjunge Leon, der mit der Wahrheit lügt, ist Cornelius Obonya von starker Präsenz. Franziska Sztavjanik hat eine anmutige Robustheit, Fritz Hammel stattet einen Tolpatsch von Adel mit hübschem Charme aus. Als ungeschlachte Germanen sorgen Michael Rastl und Hannes Gastinger für zahlreiche Lacher. Eine gelungene Aufführung von schwereloser Heiterkeit.
Kurier

Produktionen W