2004/05
Haupthaus |
Widerspenstigenzähmung Fassung für das Volkstheater von Margit Mezgolich Premiere 5. Dezember 2004 Mit Birgit Doll und Karl Markovics in den Hauptrollen Inszenierung: Margit Mezgolich In Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ will Katharina einfach nicht so, wie Vater und Gesellschaft sich das vorstellen. Alle Bewerber um ihre Hand hat sie mit ihrer scharfen Zunge und ihren unberechenbaren Wutausbrüchen vertrieben. Jetzt wagt sich trotz reicher Mitgift kein Mann mehr in ihre Nähe. Um ihre sanfte Schwester Bianca dagegen reißen sich bereits drei Anbeter. Doch auf Anordnung des Vaters darf kein Bewerber in Biancas Nähe, solange Katharina nicht unter der Haube ist. Die jüngeren und älteren Herren, die auf Biancas Hand spitzen, lassen sich einiges einfallen, um das Verbot zu umgehen, verkleiden sich als Hauslehrer oder engagieren welche, die für sie bei Bianca werben sollen, schließen einen Pakt, gemeinsam einen Mann für Katharina zu suchen. Da kommt ihnen der raue Petruchio, der dringend Geld braucht und sich bereit erklärt, sie trotz ihres Rufs zu nehmen, gerade recht. Vater, Schwester und Anbeter sorgen gemeinsam dafür, dass er sie heiratet. Zwischen den beiden Unangepassten geht es im folgenden Geschlechterkrieg weniger um Geld und Macht als um Liebe. Am Schluss ist Katharina nicht nur eine liebende, sondern auch eine unterwürfige Ehefrau. Oder? In der Fassung des Volkstheaters werden die Rollen getauscht. Was im Fall von Karl Markovics und Birgit Doll in eine heftige und aberwitzige Beziehungskrise mündet: Nicht Katharina wird gezähmt, sondern Catherino. Und es ist hier Petruchia, die den als Widerspenstigen verschrieenen Catherino vor allem wegen seines Vermögens ehelicht – und ihn dann mit geradezu sadistischen Methoden gefügig machen wird. Die Idee, die Verhältnisse zu verkehren, erscheint auf den ersten Blick durchaus gewitzt. Nur hat die Umsetzung in der Regie von Margit Mezgolich ein nicht unwesentliches Problem, das im Grunde bereits in der Shakespearschen Dramaturgie der Komödie angelegt ist: Die Figuren rund um das zänkische Paar sind allzu schablonenhaft gezeichnet und dienen im Prinzip nur als Folie für das Projekt der Zähmung. Es versöhnt schließlich das flirrende Zusammenspiel von Birgit Doll und Karl Markovics mit der Inszenierung: Wie die beiden Schauspieler einander belauern und umgarnen, miteinander kämpfen und streiten und schließlich einander verführen und gewinnen: Das ist ganz großes Schauspielertheater. Das Konzept hält leider nicht ganz, was es verspricht. Schade. Denn in einzelnen Szenen ist viel frischer Wind zu spüren, den die junge Regisseurin und die jungen Schauspieler mit dieser Aufführung ins Volkstheater bringen. Karl Markovics also ist zum Beispiel Catherino und Birgit Doll die Petruchia – die um Catherinos Hand wirbt, um ihn zu zähmen. Markovics wirkt dabei hilflos und überrumpelt, Doll spielt eher trocken, mit herbem Charme. Vera Borek überrascht als Dienerin Grumia, die auch singt. Dabei gibt sie eine überzeugende Mischung aus Tina-Turner-Parodie und Schlagersängerin, die keine Schlager singen will. Was vom ursprünglichen Witz des Stückes verloren geht, macht die Gegenwirkung, die der Rollentausch in sich birgt, nicht ganz wett. Ein Unentschieden zwischen ernst genommener Geschlechterfrage und ausgestelltem Klamauk. Nur dumme Männer können auf die Idee verfallen, dass ihr Geschlecht bei „Der Widerspenstigen Zähmung“ als Sieger vom Platz geht, dass ein roher Mann die Kratzbürste Katharina unterworfen hat. Deren Schein-Unterwerfung ganz am Schluss ist nämlich eine gefährliche Kampfansage. Im Grunde hat Shakespeare einen raffiniert gewendeten Text geschrieben, mit einer Menge eitler Gecken und einer prächtigen, tollen Frau in der Paraderolle. Im Volkstheater müssen nun aber die Frauen die dummen, undankbaren Männerrollen übernehmen. Das gelingt Birgit Doll vorzüglich, sie spielt einen überzeugenden Macho mit rauer Stimme und schlechten Manieren. Johanna Mertinz spielt als Baptista eine matriarchalische Geschäftsfrau. Und zu den Höhepunkten des Stücks zählen auch die eigenwilligen Gesangseinlagen von Vera Borek als Grumia. In Margit Mezgolichs Inszenierung rollt das Geschehen temporeich, aber nie überhastet ab. Hermann Krejcar sorgte für ein Einheitsbühnenbild mit luftig-himmelblauem Hintergrund, das dank der Drehbühne unterschiedliche Perspektiven ermöglicht. Die Akteure sind offensichtlich mit großer Freude bei der Sache. Als Petruchia zeigt Birgit Doll Härte und Herz bei der Zähmung ihres kratzbürstigen „Katers“ Catherino, den Karl Markovics mit großem Ernst darstellt. Catherinos Softie-Bruder Bianco (Holger Schober) wird von einer schmachtenden Damenriege umschwärmt. Schließlich trägt die als Mann verkleidete Lucentia (Piroska Szekely) mit Hilfe ihrer kecken Freundin Trania (Susanna Schaefer) den Sieg über die draufgängerische Hortensia (Katharina Stemberger) davon. Das amüsante und gelungene Experiment erntete beim Premierenpublikum reichlichen Applaus. Auch im Zeitalter des Aufstiegs der Frau ist es nicht möglich, die Verhältnisse eins zu eins zu vertauschen und Aktionen und Worte, die Shakespeare Männern zugedacht hat, Frauen zuzuordnen. So artet das Ganze in Klamauk aus – trotz eines reizvollen Bühnenbildes von Hermann Krejcar, trotz der intensiven Leistungen der beiden Hauptdarsteller Birgit Doll und Karl Markovics und trotz erheiternder, auch im Sinne Shakespeares passender Szenen. Frauen sind Männer und Männer sind Frauen in Margit Mezgolichs amüsanter „verkehrter“ Version. Das ist ein Witz, der frappiert und funktioniert. Freilich, die „Zähmung“ hat auch dann einen unangenehmen Beigeschmack, wenn sie dem Manne zuteil wird, denn in der Brutalität, mit der hier unterdrückt wird, liegt das Problem, das wir Heutigen mit dem Stück haben. Ansonsten ist der Abend ein schrankenloses Vergnügen. Erstaunlich nur, dass der „Catherino“ des Karl Markovics, eine starke Bühnenpersönlichkeit, sich nicht wirklich entfalten kann – die „strenge Herrin“ der entschlossenen Birgit Doll steckt da alles in die Tasche. |