2002/03
Haupthaus |
Der zerbrochne Krug Premiere 23. März 2003 Mit Inszenierung: Georg Schmiedleitner Georg Schmiedleitner verhedderte sich nicht in Milieu-Ausmalerei und zwang sich zu einem Schauspieler-Theater, das auf die elementaren Betriebsmittel Sprache, Mimik, Geste setzt. Dem Atem wirklichen Lebens hat die Regie eine Brise Satire beigemischt. Die Schauspieler bringen die Humoreske zum Funktionieren. Sogar wo Kleists Deutsch längst aus der Mode gekommen ist, perlt es wie selbstverständlich von den Lippen. Fein geführte Darsteller, die Dialogpartner zu pittoresken Tableaux zusammengestellt, der Sprache vertraut. Dem mit den Jahren zum Virtuosen in der vollen Breite zwischen Sanftheit und Altersgrant gereiften Wolfgang Hübsch liegt die Rolle des in die Enge treibenden und getriebenen Manns. Nachbarin Brigitte (Brigitte Neumeister), die alles aufklärt, ist ein sympathischer wichtigtuerischer Wirbelwind, Erwin Ebenbauer als Gerichtsrevisor pragmatisierungswürdig. Christoph Zadra verbiegt sich wurmgleich und züngelt machtlüstern als Schreiber. Über allen schwebt Vera Borek, unersetzlich mit ihrem Zank-Tremolo, ihrem Niemand-rühre-mich-an-Stolz. Georg Schmiedleitner bewies ein sehr sicheres Händchen für den brüchigen Stoff. Dafür hatte er ein an Geschmack sicheres Team an der Seite: Florian Parbs hat einen modernen Raum, der in seiner Kargheit schöne Bilder und Effekte ermöglicht gebaut. Andrea Bernds Kostümzeichnung harmoniert da wunderbar. Subtil schneiderte sie den Schauspielern Klassenunterschiede auf den Leib, ohne dabei auf eine gesamtheitliche Ästhetik zu vergessen. Wolfgang Hübsch legt einen grandiosen Auftritt als verkommener und versoffener Dorfrichter hin. Sein Schreiber Licht: hervorragend nuanciert gespielt von Christoph Zadra. Vera Borek als harsche Marthe überzeugt mit ihren spitzen Einwürfen. Wie genau Schmiedleitner an die Figuren und ihre Sprache herangegangen ist, beweisen auch Anna Franziska Srna und Karl Markovics als Liebespaar: Srna sehr schön verhalten, Markovics bebend und Fäuste ballend, zeichnet beide eine starke Bühnenpräsenz aus. Eine solide Arbeit auf hohem Niveau. Scherben bringen Glück! Diesmal zumindest dem Volkstheater. Georg Schmiedleitners Inszenierung setzt auf die Typen vom Weghuberpark. Und das sind komische! Wolfgang Hübsch hat die Süßlichkeit des Intriganten – Merkmal vieler seiner Vorgänger – abgestreift. Sein Adam ist ein Machtmensch der perfiden Sorte, der darstellerisch aber nie über die Stränge schlägt – und dadurch noch hinterhältiger als Mensch wirkt. Scheu und zornig zugleich ist Karl Markovics als Ruprecht, die beste Figur des Abends. Vera Borek legt als Marthe Rull einen Auftritt von brillanter Penetranz hin, Anna Franziska Srna darf als sehr zurückgenommene Eve gegen sonstige Rollenklischees anspielen. Jubel um die Darsteller. Karl Markovics als vermeintlich betrogener Verlobter treibt die Skurrilität seiner Figur auf die Spitze, Anna Franziska Srna leidet glaubhaft am Gewissenskonflikt, ihren Geliebten nur retten zu können, indem sie ihn der Tat beschuldigt. Georg Schmiedleitner stellt keine blutleeren Menschenhülsen auf die Bühne, sondern zeichnet Charaktere und Figuren: Wunderschöne Leistungen in Rollen, die selten so profiliert herauskamen: Karl Markovics als Bauernbursche, der zwar nicht schnell im Denken, aber von Grund auf aufrichtig ist. Anna Franziska Srna als Eve in Nöten, die sie spürbar zerreißen. Vera Borek als Frau aus dem Volke, mit der nicht gut Kirschen essen ist. Exzellent gespielt, von ihnen allen. Dass die Schauspieler auffallend gut und anders sind als gewohnt, liegt nicht nur an Regisseur Georg Schmiedleitner, sondern auch an Kostümbildnerin Andrea Bernd. Selten kann man so deutlich sehen, wie prägend Kostüme sein können. In einem von Scheestürmen gerüttelten Kaff führt der Dorfrichter Adam sein Unrechtsregime. Dank glänzender Kostümierung (Andrea Bernd) sind die Gestalten wahre Glanzstücke cartoonistischer Schärfe und Präzision. Hier aber tut der Regisseur sein segensreiches Werk: Seine Inszenierung denunziert in aller Komik keine der Gestalten. Schon gar nicht Anna Franziska Srnas Eve, in der Größe ihrer Liebe und Verzweiflung das wahre Zentrum der Aufführung. Auch nicht Karl Markovics, der als Rupprecht eine Gesalt von bizarrer Komik dennoch zum Menschen zu formen versteht. Vera Borek und Christoph Zadra zeigen brillantes, präzises Theater. Brigitte Neumeister und Uwe Falkenbach ergänzen untadelig. Erwin Ebenbauer als visitierender Gerichtsrat zeigt, was ein nobler, souveräner Schauspieler ist. Bleibt Wolfgang Hübsch; in seiner Verrottung, seiner Panik, seiner Gefährlichkeit im Augenblick der Bedrängnis erreicht dieser Adam größte Vorbilder. Georg Schmiedleitners Inszenierung hat trotz eines sehenswürdigen, aber im Stich gelassenen Wolfgang Hübsch als Dorfrichter Adam nichts zu erzählen. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe kitzelt den unmanierlichen Alten. Auf diese bedenkenswerte Einzelheit beschränkt sich Schmiedleitners Deutungsehrgeiz. Die Dörfler sagen Kleists vertrackte Verse verbogen auf, als müssten sie bei der Fremdenpolizei um ein Klassiker-Attest einkommen. Finster ist die Welt, und trüb das Theater am Weghuberpark. |