1996/97
Bezirke, Haupthaus |
Anatol Premiere 16. Oktober 1996 Die Frage an das Schicksal Mit Inszenierung: Rudolf Jusits Zwei Männer, Mädchen und Frauen vieler sozialer Schichten. Zirkusartistinnen und Vorstadtmädchen, verheiratete Damen und Kokotten. Immer ein Abschied oder ein Anfang, niemals Gewißheit. Der Dichter Anatol schlendert von einem Liebesabenteuer zum anderen, und Max gibt seine witzigen bis zynischen Kommentare dazu. Anatol ist leichtsinnig, doch melancholisch; er liebt die „zärtliche Liebe ohne das Bedürfnis der Treue“ und grämt sich, ob seine Partnerinnen auch treu seien. Don Juans zerstörerische Dämonie liegt ihm fern. Er genießt sich selbst, seine Stimmungen und die vielfältigen Reize seiner Schwächen. Er ist bei aller Flüchtigkeit seiner Beziehungen romantischer Schwärmer und Poet. Schnitzlers frühe Szenenfolge (geschrieben ab 1888, Erstveröffentlichung 1893) setzt sich insgesamt aus sieben Einaktern zusammen: Die Frage an das Schicksal, Weihnachtseinkäufe, Episode, Denksteine, Abschiedssouper, Agonie und Anatols Hochzeitsmorgen. Auf Anraten seines Verlegers schrieb er einen achten mit dem Titel Anatols Größenwahn, der den Titelhelden Jahre später als gealterten Abenteurer zeigt. Der junge Hugo von Hofmannsthal schrieb 1892 unter seinem Gymnasiastenpseudonym „Loris“ eine Einleitung zum Anatol-Zyklus. „Anatol“ am Volkstheater Fritz Hammel reift in der Volkstheaterproduktion des „Anatol“ zum Schnitzler-Dasteller. Er trifft den schwärmerischen wie den mokanten Tonfall Schnitzlers und die tiefe Erschöpfung, die in manchen Momenten auf seiner Dichterseele lastet. Fritz Hammel in der Titelrolle ist ein achtbarer, sympathischer Schauspieler; allein das Verspielt-Melancholische, Verrucht-Selbstverliebte dieser Figur vermag er nicht zu verkörpern. Der legendäre wienerische Kammerton wurde an diesem Abend leider verfehlt. Hinter der Komödie muß man den Ernst ahnen, die tragische Leere in nobler Verkleidung. Nichts davon trifft für die Inszenierung von Rudolf Jusits zu. Die Inszenierung von Rudolf Jusits hat zeitweise den Schmelz des Vergangenen, bringt aber auch Ernüchterung. Rudolf Jusits Inszenierung setzt ganz auf knallige Komödie, glatte Worte und bunte Bilder. Das funktioniert goßartig in solchen Szenen wie „Abschiedssouper“" (Viktoria Schubert mitreißend komisch), auch noch in „Anatols Hochzeitsmorgen“. Doch diese Inszenierung muß da schief laufen, wo es um die Zwischentöne des Herzens geht. |