2003/04
Haupthaus |
Der Bauer als Millionär Premiere 8. Dezember 2003 Fürs Fernsehen aufgezeichnet vom ORF Fortunatus Wurzel: Erwin Steinhauer Saxophon: Gilbert Handler/Florian Bogner Inszenierung: Stephan Bruckmeier Die Tradition des alten Wiener Volkstheaters gipfelt in Ferdinand Raimund, der noch einmal die ganze Pracht des Zaubertheaters aufleuchten lässt, zwischen den glänzenden Kulissen aber den Blick auf moderne Menschen freigibt mit ihren oft absurden Hoffnungen, bedenkenlosen Herzlosigkeiten und großen Selbsttäuschungen. Noch einmal wird hier die barocke Einsicht in die Eitelkeit allen irdischen Seins glaubhaft formuliert, aber der bevorstehende Sieg eines neuen, materialistischen Weltbilds ist bereits mehr als zu ahnen. Der Wiener Ferdinand Raimund vermag zum letzten Mal die Allegorie mit Leben zu füllen – Szenen wie der berührende Abschied der Jugend und der tragikomische Einbruch des Hohen Alters haben bis heute Gültigkeit und Kraft. http://ferdinandraimund.at/stuecke/bauer/index.html Großer Jubel für Erwin Steinhauer. Ein Erfolg war diese Aufführung aber auch für Regisseur Stephan Bruckmeier, der Volkstheater im besten Sinn des Wortes macht. Berührend die Szene, wenn die Jugend als bübisches Alter Ego Abschied nimmt und Steinhauer mit dem Hohen Alter Vorlieb nehmen muss. Zurückhaltend und doch eindringlich gespielt von Fritz Muliar. Glänzend inszeniert Viktoria Schubert und Günter Franzmeier als Hass und Neid, die das Publikum zu Lachstürmen förmlich hinrissen. Volkstheater im puren, gelungenen Sinn. Das Welt- und Volkstheater Raimunds funktioniert also in Stephan Bruckmeiers schwungvolle Inszenierung, die alles Süßliche, Sentimentale ausräumt und auf den Kern des Stücks abzielt. Eine unterhaltsame und besinnliche Aufführung, ein Muss, nicht nur für Steinhauer-Fans. Dass Zauber und synthetisch anmutende „Erdwelten“ nicht unbedingt ein Gegensatzpaar darstellen, beweist Stephan Bruckmeier im Volkstheater. Seine Inszenierung zeigt ein Miteinander von irdischer Lasterhaftigkeit und entrücktem Feenzauber, das seine Kraft in erster Linie aus altbewährten Stilmitteln des Theaters bezieht. Obgleich Bühne (Klaus Baumeister) und Kosüme (Ingrid Leibezeder) auf den ersten Blick modernes Theater versprechen, entpuppt sich Bruckmeiers Konzept deutlich biederer, was im Falle von Raimunds Zaubermärchen auch kein schlechter Ansatz ist, da die Pointen ohnedies „aufgelegt“ sind – und vom Ensemble (speziell von Günter Franzmeier, Viktoria Schubert, Rolf Schwab, Johanna Mertinz) dementsprechend ausgekostet werden.
Bruckmeier sucht in dem Zaubermärchen nach Bezügen zur Gegenwart, stellt vor allem auf der Menschenebene echte Typen auf die Bühne. Drei Darsteller ragen aus dem vom Premieren-Publikum heftig beklatschten Spiel heraus: Erwin steinhauer als Fortunatus Wurzel, ein grobschlächtiger, sehr realer Emporkömmling, der aus seiner eigenen Bösartigkeit keinen Ausweg mehr findet. Stark: Steinhauers rührender Abschied von der Jugend (Dominik Kaschke); bewegend und unbarmherzig der Auftritt des hohen Alters. Eine Partie, in der Fritz Muliar alle, auch die schelmisch-wissenden Register seines Könnens ziehen darf. Fein!
Unterm Strich hat man es mit einer vorsichtigen, ganz auf die Stärken des heimischen Klassikers setzenden Inszenierung zu tun. Die Feenwelt, in der die bösen Kräfte (ein köstlich naiver Neid: Günter Franzmeier, ein gegen die Kraft der Liebe hilfloser Hass: Viktoria Schubert) mit den guten Geistern ringen, und dabei die Menschen als Spielmaterial benützen, sind zauberisch-schillernd wie eh und je. Wenn die Götter von ihrem kleinen metallischen Laufsteg aus den Lüften zur ebenen Erde fahren, geraten sie auf ein Terrain, das Bruckmeier wesentlich besser gelingt.
Sein (Erwin Steinhauers) Fortunatus Wurzel stimmt, wie in dieser Rolle noch keiner gestimmt hat:ein stiernackiger, neureicher Landwirt, den es in die falsche Welt verschlagen hat und der dort in Panik Wohlgefühl outriert. Ansonsten: Fritz Muliar, zum Niederknien als hohes Alter, Günter Franzmeier und Viktoria Schubert als Brillanz - Chargen.
Das Welt - und Volkstheater Raimunds funktioniert also in Stephan Bruckmeiers schwungvoller Inszenierung, die alles Süßliche, Sentimentale ausräumt und auf den Kern des Stückes abzielt. Unterhaltsam und besinnlich und ein Muss, nicht nur für Steinhauer-Fans.
Der Regisseur setzt auf einzelne, in sich geschlossene Episoden und fährt gut damit. dazu gehört der Abschied von der Jugend (Dominik Kaschke), die als jüngere Ausgabe Steinhauers erscheint, und der Auftrit des hohen Alters. Fritz Muliar knüpft schlicht und eindringlich an große Rollenvorgänger an. In anderen Episoden gewinnt das Lottchen von Vivien Löschner überraschend starkes Profil. Zu großer Form laufen die Groteskfiguren des Neid (Günter Franzmeier) und des Hasses (Viktoria Schubert) auf.
Die Jugend (Dominik Kaschke) trippelt ganz sportiv auf die Bühne, tätschelt den Ball. Sein Wurf wird im Korb landen. Gegenspieler Fortunatus Wurzel (Erwin Steinhauer stattet ihn mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz der ganzen Bandbreite zwichen Gier, Verzweiflung, Weltekel und Erleichterung über so manch bösen Traum aus) gibt sich erst geschlagen, nachdem das hohe Alter in Gestalt Fritz Muliars auf die Bühne gekommen ist.
Regisseur Stephan Bruckmeier meidet biedermeierlichen Lack. Es geht derb zu in Bauer Wurzels Stadthaus. Mit Steinhauer gewann Bruckmeier ein schauspielerisches Schwergewicht. Dieser Wurzel ist ein rurales Urviech. Vom Land hat es ihn in die Stadt verschlagen, dort führt er sich nun, wohl auch aus Unsicherheit, auf wie der Elefant im Porzellanladen. Andere Facetten gibt es auch, zwischendurch … Fritz Muliar spielt das Hohe Alter mit leisem Grimm, Galgenhumor und viel Schadenfreude, ein Charakter aus einem Guss. |