1993/94 Haupthaus |
Clara S. Premiere 27. März 1994 Clara S.: Andrea Eckert Inszenierung Beverly Blankenship Sie konnten einander natürlich nie begegnet sein, die gefeierte Pianistin und wenig beachtete Komponistin Clara S(chumann) aus dem Deutschland des 19. Jahrhunderts und der Erfolgsautor und Kriegsheld Gabriele d’Annunzio aus dem Italien des frühen 20. Jahrhunderts. Doch Elfriede Jelinek schubst Clara samt familiärem Anhang bedenkenlos und wohlbedacht ins Italien Mussolinis und konfrontiert sie mit dem Über-Macho und seinem weiblichen Hofstaat. Weiblicher Prototyp gegen männlichen Prototyp. Künstlerin versus Künstler. „Großes Frauenleben“ und „männliche Größe“. Und natürlich nimmt da die „musikalische Tragödie“ – wie die Jelinek ihr Stück nennt – die Form einer bösen Farce an. Denn Clara ist nicht nur engelsgleiches Wunderkind und Hohepriesterin der Kunst, sie ist auch Gattin eines geisteskranken Genies, Mutter viel zu vieler Kinder und daher permanent in Geldnöten. Und d’Annunzio ist nicht nur Kriegsheld von eigenen Gnaden und Produzent schwülstig-kitschiger Romane, er verfügt auch über Geld und Macht in einem für Künstler und selbst für Kriegshelden ungewöhnlichen Ausmaß. Die Frau bietet Kunst zum Verkauf an, ihre eigene, europaweit gerühmte, die ihres genialen Gatten, die ihrer vielversprechenden Tochter. Doch der Mann will von Frauen nicht Kunst kaufen, die macht er bei Bedarf selbst, sondern Körper. Den Körper will die Frau nicht verkaufen. Macht auch nichts, käufliche Frauenkörper gibt es zur Genüge und in jeder Preislage. Auf dieser Grundsituation baut Elfriede Jelinek ihr wütendes Stück auf: wütend über den bürgerlichen Kunstbetrieb, wütend über männliche Kunstideologien, wütend über die Vernichtung weiblicher Kreativität. Luft macht sich ihre Wut in Gelächter. Und lächerlich sind sie schließlich alle, die Käufer und die Käuflichen, und am lächerlichsten die, die die Marktgesetze nicht kennen. Elfriede Jelinke fordert für ihr Stück als Bühnenbild ein geschmackloses „Prunkzimmer, das jedoch irgendwie einer Tropfsteinhöhle gleicht – stalaktitenähnliche Gebilde hängen von der Decke herab.“ Als Bühnenbildner hat der Maler Adolf Frohner die szenischen Wünsche der Dramatikerin auf höchst eigenwillige Weise erfüllt und zugleich für sich weitergedacht. Er hat einen aberwitzigen Kunstraum gebaut, eine Kruezung aus Kammerkonzertsaal, Museumsdepot, Friedhofskitsch und Bordell. Von der Decke hängen tatsächlich „stalaktitenähnliche Gebilde“, die sich aber auch als Riesen-Kondome dechiffrieren lassen: da hat Frohners bildnerische Phantasie den szenischen Anweisungen der Elfriede Jelinek noch extra auf die Sprünge geholfen. Was sich auf der Bühne begibt, ist kein Stück im landläufigen Sinn, sondern pure Ideologie, Diskussion, Spott und Hohn, Kampf bis aufs Messer mit den Mitteln der Sprache, aber auch jenen der Körperlichkeit, sprich Sexualität. Ihre Sprache ist ein kaltes Feuer, in dem die Männerwelt für jahrtausendelanges Unrecht Buße tut: Elfriede Jelinek wird endlich auch als Theaterautorin ihrer Qualität entsprechend gewürdigt. Das Volkstheater zeigt ihren Klassiker „Clara S.“ Fatal ins Ambiente eines Feydeau-Schwanks gerückt. Und so bleibt im gemütlich warmen Kitsch die Eiseskälte der Frauenverachtung ausgespart. Beverly Blankenship arbeitet an dem linearen Psychogramm eine aufsteigende Handlung heraus und gruppiert die Darsteller so, als ob sie einem traditionellen Gesellschaftsstück angehören, läßt sie aber wie in einer Sternheim’schen Komödie agieRen. Sie wären aber wohl auch in einem wirklich guten Stück gut gewesen. |