2003/04
Bezirke |
Des Meeres und der Liebe Wellen Premiere 3. März 2004 Hero: Jaschka Lämmert Inszenierung: Wolfgang Palka ▹ Fotogalerie Hero, um der traditionellen Frauenrolle als Ehefrau und Mutter „an Gattenhand“ zu entgehen, wird Priesterin; geht, um frei zu sein, ins Kloster. Die Begegnung mit Leander im Augenblick ihrer Weihe zur Priesterin, das Verlangen leidenschaftlichen Begehrens, das beide unvermittelt überfällt, verändert jedoch ihren so vernünftigen Lebensplan; und als Leander in der Nacht vom Festland zur Insel schwimmt und in Heros Turm eindringt, zögert sie – im Bewusstsein von Verbot und Todesdrohung – kaum, sich auf die Gewissheit dieser Liebe in aller Unbedingtheit einzulassen. Aber sie hat, um ihre Liebe zu schützen, den Ränken ihres Onkels, des Oberpriesters, wenig entgegenzusetzen; zumal dieser sein Werk der Vernichtung im Namen einer vermeintlich höheren Moral zur Rettung Heros betreibt. Franz Grillparzer (1791–1872), der in seinen Stücken dem Obsessiven, oft dunkler, selbstzerstörerischer Leidenschaftlichkeit nachspürt, beschreibt die Liebe von Hero und Leander in Des Meeres und der Liebe Wellen (1831 uraufgeführt) als jung-strahlende, in ihrer Unbedingtheit gänzlich un-schuldige Leidenschaft, das Erwachen von Sinnlichkeit und Sexualität als ursprünglich-hinreißende Lebendigkeit. Düster und tödlich in diesem Stück ist die starre Macht-Ordnung der Sestos-Sekte, die im Namen der Liebesgöttin Aphrodite Liebe und Sinnlichkeit ausschließt, menschliche, gar weibliche Selbstbestimmung strikt reglementiert und zur Selbsterhaltung eine Moral bereithält, die jede Vernichtung legitimiert. So gesehen hat das Stück kaum an Aktualität eingebüßt: nach wie vor sind wir mit restriktiver Moral und Macht-Anmaßung konfrontiert, die mit Bösartigkeit und Vernichtungs-Gräuel zum Zwecke der eigenen moralisch höheren, also guten Sache keinerlei Probleme hat; und nicht nur konservativen Selbstbeschränkungs-Ideologien, sondern auch der sogenannten Spaßgesellschaft, deren Freizügigkeitsgetue ausschließlich an Oberflächenreizen entlangkreischt, ist eine so unbedingte Leidenschaft wie die Heros und Leanders ein Ärgernis. Das war nun eine Überraschung – gerade mit Grillparzer, der für Regisseure unserer Zeit so schwierig ist, hat Wolfgang Palka eine kleine, aber feine, sehr sensible, psychologisch stimmige und in den Details interessante Aufführung geliefert. Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ hat man in Wien schon länger nicht gesehen. Nun hat sich das Theater in den Bezirken seiner angenommen. Wolfgang Palka folgt dem Jugendthema der Geschichte, besetzt die Protagonisten mit ganz jungen Schauspielern, lässt sie Grillparzers Verse so sprechen, als ob ihnen der Schnabel danach gwachsen wäre. Simon Hatzl als Leanders Freund Naukleros liefert eine bemerkenswerte Perfomance eines modernen Jugendlichen. Den richtigen Ton trifft auch Rafael Schuchter als Leander. Hero wird von Jaschka Lämmert dargestellt. Sie findet zu berührenden Momenten. Alfred Rupprecht ist als Oberpriester ein erschreckend kalter und glatter Hüter der Ordnung und Macht. Ein Vorzug des Stückes ist die subtile Darstellung des Erwachens junger Menschen zu Liebe und Sexualität, die das Grillparzerstück an die Seite der großen Liebesdramen der Weltliteratur stellt. In einem schlichten, meerschaumbemalten Bühnenbild spielt Jaschka Lämmert eine erfüllte, zornige, leidende Hero. In der Liebe zu Hero ist Rafael Schuchter überschäumend, kindisch, verrückt, dann wieder in seiner Leidenschaft distanziert. Simon Hatzl kostet komödiantische Momente genüsslich aus. Ursula Strauss als Janthe beherrscht die augenzwinkernde Nonchalance wie die betroffene Anklage. Wolfgang Palkas Inszenierung sucht die Innovation nicht, trägt aber doch durch die jungen Schauspieler eine wohltuende Modernität in sich. |