2003/04
Bezirke

Des Meeres und der Liebe Wellen
von Franz Grillparzer

Premiere 3. März 2004
(7. April 2004: Zehntausendste Vorstellung des Theaters in den Bezirken [Volkstheaters in den Außenbezirken] im fünfzigsten Jahr)

Hero: Jaschka Lämmert
Oberpriester: Alfred Rupprecht
Leander: Rafael Schuchter
Naukleos: Simon Hatzl
Janthe: Ursula Strauss
Hüter des Tempels: Roger Murbach
Heros Vater: Wolfgang Klivana
Heros Mutter: Linde Prelog
Dienerin: Elisabeth Balog
Wächter: Jerzy Machalowski, Mario Schober

Inszenierung: Wolfgang Palka
Bühne: Martina Tscherni
Kostüme: Mimi Zuzanek

Fotogalerie
Notizen zur Produktion

Hero, um der traditionellen Frauenrolle als Ehefrau und Mutter „an Gattenhand“ zu entgehen, wird Priesterin; geht, um frei zu sein, ins Kloster. Die Begegnung mit Leander im Augenblick ihrer Weihe zur Priesterin, das Verlangen leidenschaftlichen Begehrens, das beide unvermittelt überfällt, verändert jedoch ihren so vernünftigen Lebensplan; und als Leander in der Nacht vom Festland zur Insel schwimmt und in Heros Turm eindringt, zögert sie – im Bewusstsein von Verbot und Todesdrohung – kaum, sich auf die Gewissheit dieser Liebe in aller Unbedingtheit einzulassen. Aber sie hat, um ihre Liebe zu schützen, den Ränken ihres Onkels, des Oberpriesters, wenig entgegenzusetzen; zumal dieser sein Werk der Vernichtung im Namen einer vermeintlich höheren Moral zur Rettung Heros betreibt.

Franz Grillparzer (1791–1872), der in seinen Stücken dem Obsessiven, oft dunkler, selbstzerstörerischer Leidenschaftlichkeit nachspürt, beschreibt die Liebe von Hero und Leander in Des Meeres und der Liebe Wellen (1831 uraufgeführt) als jung-strahlende, in ihrer Unbedingtheit gänzlich un-schuldige Leidenschaft, das Erwachen von Sinnlichkeit und Sexualität als ursprünglich-hinreißende Lebendigkeit. Düster und tödlich in diesem Stück ist die starre Macht-Ordnung der Sestos-Sekte, die im Namen der Liebesgöttin Aphrodite Liebe und Sinnlichkeit ausschließt, menschliche, gar weibliche Selbstbestimmung strikt reglementiert und zur Selbsterhaltung eine Moral bereithält, die jede Vernichtung legitimiert. So gesehen hat das Stück kaum an Aktualität eingebüßt: nach wie vor sind wir mit restriktiver Moral und Macht-Anmaßung konfrontiert, die mit Bösartigkeit und Vernichtungs-Gräuel zum Zwecke der eigenen moralisch höheren, also guten Sache keinerlei Probleme hat; und nicht nur konservativen Selbstbeschränkungs-Ideologien, sondern auch der sogenannten Spaßgesellschaft, deren Freizügigkeitsgetue ausschließlich an Oberflächenreizen entlangkreischt, ist eine so unbedingte Leidenschaft wie die Heros und Leanders ein Ärgernis.

 
Pressestimmen

Das war nun eine Überraschung – gerade mit Grillparzer, der für Regisseure unserer Zeit so schwierig ist, hat Wolfgang Palka eine kleine, aber feine, sehr sensible, psychologisch stimmige und in den Details interessante Aufführung geliefert.
Man merkt das zutiefst Wienerische, das bei Grillparzer im antiken Gewand einherkam, und spürt die Verwandtschaft mit Arthur Schnitzler. Die Hero ist ein „süßes Mädel“, das von der Liebe getroffen wird wie von einem Blitz, auf einmal nicht mehr gescheit sein kann…
Jaschka Lämmert spielt das wunderschön und erstaunlich modern, kommt – wie alle anderen – mit der Sprache bemerkenswert gut zurecht, was auch ein großes Lob für die Regie darstellt. Der Rest der Besetzung erweist sich als glänzend, voran Ursula Strauss als Janthe, die die Szene beherrscht, wann immer sie auftritt, und Simon Hatzl als Naukleros. Besonders bemerkenswert ist Alfred Rupprecht, von der unbestreitbaren Würde eines altösterreichischen Beamten, der für Ruhe und Ordnung sorgt, aber doch auch mit Andeutungen, dass seine Sorge um Hero einer unterdrückten Liebe entspringt.
Das Publikum der Bezirke hat wieder seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, ganz genau und gespannt zuzuhören und folglich zeigte es sich von der Qualität der Dichtung und der Aufführung rechtens beeindruckt.
Renate Wagner, Frauenblatt

Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ hat man in Wien schon länger nicht gesehen. Nun hat sich das Theater in den Bezirken seiner angenommen. Wolfgang Palka folgt dem Jugendthema der Geschichte, besetzt die Protagonisten mit ganz jungen Schauspielern, lässt sie Grillparzers Verse so sprechen, als ob ihnen der Schnabel danach gwachsen wäre. Simon Hatzl als Leanders Freund Naukleros liefert eine bemerkenswerte Perfomance eines modernen Jugendlichen. Den richtigen Ton trifft auch Rafael Schuchter als Leander. Hero wird von Jaschka Lämmert dargestellt. Sie findet zu berührenden Momenten. Alfred Rupprecht ist als Oberpriester ein erschreckend kalter und glatter Hüter der Ordnung und Macht.
Das praktikable Bühnenbild (Martina Tscherni) ist trotz seiner Einfachheit stimmungsvoll. Stimmungsvoll ist auch die gesamte Aufführung.
Brigitte Suchan, Wiener Zeitung

Ein Vorzug des Stückes ist die subtile Darstellung des Erwachens junger Menschen zu Liebe und Sexualität, die das Grillparzerstück an die Seite der großen Liebesdramen der Weltliteratur stellt.
Am besten Simon Hatzl, der als Naukleros einen mitfühlenden modernen Beach-Boy spielt, und Ursula Strauss als aufmüpfige Janthe. Sympathisch sind Jaschka Lämmert als Hero und Rafael Schuchter als Leander, ins Komische zieht Roger Murbach den wachsamen Hüter des Tempels.
HM, Kronenzeitung

In einem schlichten, meerschaumbemalten Bühnenbild spielt Jaschka Lämmert eine erfüllte, zornige, leidende Hero. In der Liebe zu Hero ist Rafael Schuchter überschäumend, kindisch, verrückt, dann wieder in seiner Leidenschaft distanziert. Simon Hatzl kostet komödiantische Momente genüsslich aus. Ursula Strauss als Janthe beherrscht die augenzwinkernde Nonchalance wie die betroffene Anklage. Wolfgang Palkas Inszenierung sucht die Innovation nicht, trägt aber doch durch die jungen Schauspieler eine wohltuende Modernität in sich.
cb, Die Presse

Produktionen D