New York. New York.
von Marlene Streeruwitz
Österreichische Erstaufführung
im Rahmen der Wiener Festwochen
Premiere 12. Mai 1994
Wiederaufnahme Spielzeit 1994/95
Frau Horvath: Vera Borek
Der Taubstumme: Fritz Hammel
Herr Sellner: Toni Böhm
Professor Chrobath: Heinz Petters
Lulu: Johanna Mertinz
Karl (Charly) Bleicher: Rudolf Jusits
Die Schwangere: Cornelia Lippert
Die drei Stripperinnen: Hasija Boric, Cornelia Lippert, Johanna Mertinz
Der Streetworker: Thomas Evertz
Mann im Dinnerjacket: Rudolf Strobl
Mann mit Hut: Bernhard Hall
Die drei von der Maturafeier I: Billy Gnad, Konrad Lusenberger,
Paul Sonderegger
Die drei von der Maturafeier II: Bernhard Hall, Rudolf Jusits,
Rudolf Strobl
Inszenierung: Emmy Werner
Bühne und Kostüme: Walter Schwab
Musik: Michael Kienzl
Choreographische Mitarbeit: Kuku Sangaré, Toni Gruber
Das Stück heißt „New York. New York.“ und spielt in Wien. In der Stadtbahnstation Burggasse. Im Männerklo. Mit New York hat das Stück nichts zu tun. Wenn, dann im Kopf des Zuschauers.
„New York. New York.“ ist ein Nachtstück, ein Zeitstück, ein Kunststück, ein Stück über Mythen. Vielseitig und vieldeutig. – Der Vorraum zur ehemaligen k.k. Piß- und Bedürfnisanstalt als Touristenattraktion und Vorraum zur Unterwelt. Die Häuslfrau als Herrscherin über ein unterirdisches Reich der Krüppel und Irren, der Huren und Stricher, der Zuhälter und Touristen. Und hinter einer kleinen Tür, im Privatraum der öffentlichen Anstalt, im Allerheiligsten der profanen Häuslwelt ein Geheimnis – der „liebe Herr Prometheus“.
Prometheus, der Rebell, Prometheus, der Menschenerschaffer oder Menschenbeglücker, Prometheus, der an den Felsen Geschmiedete, in den Kanalkatakomben von Wien. Und Wien ist überall – sagt Marlene Streeruwitz. Prometheus, ein Haufen gemarterten Fleisches, als Objekt der Begierde. „I know you are very anxious to meet the tortured mankind“ – sagt der Fremdenführer in „New York. New York.“ zu seiner japanischen Reisegruppe, die die„gemarterte Menschheit“ im Blitzlichtgewitter ersticken wird.
Doch Marlene Streeruwitz schreibt kein Bildungstheater. Daß man weiß, daß die geheimnisvollen Herren Bia und Kratos der griechischen Mythologie entstammen, daß Shakespeare, Rilke, Hölderlin, Schiller und Chandler zitiert werden, ist für das Verständnis des Stücks nicht zwingend notwendig. Wichtiger ist, sich auf die abstrus-komische Gemeinheit des Wiedererkennbaren in dieser aus Kunst- und Realitätspartikeln sorgfältig aufgebauten Unterwelt einzulassen.
Pressestimmen
So schillernd, kurios, voll überbordender Phantasie Streeruwitz’ Stück ist, so rätselhaft es erscheinen mag, in Wahrheit ist es präzis komponiert. Jedes Ding hat seinen Platz und seine Bedeutung. Eine Schöpfungsgeschichte aus nicht-christlichen, archaiischen Wurzeln wird fortgesponnen – im Stile unserer Zeit: chaotisch, sprunghaft die Sprache; die Pesonen, Video-Clip-Figuren, die über eine imaginäre Leinwand flimmern.
Emmy Werner nutzt das Komödiantische des ausnehmend theaterwirksamen Texts, sorgt für Wienerische Farben und eine weitgehend tadellose En-sembleleistung. Vom tragischen Kern der Fabel aber ist wenig zu spüren. Die gall-bittere Weltgroteske wird selten sichtbar.
Barbara Petsch, Presse
In diesem Nachtstück zwischen Absurdität und Groteske wird die Toilette zum Vorhof der Hölle. Die Autorin skizziert Situationen von sponatanem Witz und schwarzem Humor, die von der Regisseurin in Walter Schwabs cleaner Ausstattung textgetreu, ideenreich und spritzig arrangiert werden. Vera Borek ist hinreißend als Frau Horvath: eine Mischung aus geldgiriger, boshafter und dennoch mütterlicher Wiener Type und mythischer Sagengestalt, respektgebietend, komisch und dämonisch zugleich.
Maria Rennhoer, Tiroler Tageszeitung
Dafür, daß sie seit zwei Jahren an ersten deutschen Bühnen gespielt, hoch gelobt und viel beachtet wird, ist man in Wien an der Autorin einigermaßen vorbeigegangen – genauer gesagt: total. Bis nun Emmy Werner "New York. New York" zur österreischischen Erstaufführung gebracht hat und eine Dramatikerin vorstellt, die mit ähnlicher Schonungslosigkeit wie die Jelinek vorgeht und ihr auch in der Beschwörung der Mythen verwandt ist.
Wenn sich Emmy Werner entschloß, den Realismus auszusparen und fast nur ein mythisch-mysthisches Gleichnis zu inszenieren, dann hat sie das Stück nicht nur für ihr Publikum möglich gemacht, sondern auch Qualitäten hervorgeholt, die in jeder vordergründigen Inszenierung untergegangen wären. So spielt Vera Borek fast eine Art Königin der "Unterwelt". Der Rest der Besetzung zeigt oft in kleinsten Rollen, wieviel schauspielerische Qualität sich am Volkstheater versammeln kann – Toni Böhm, Heinz Petters, Rudolf Strobl, Rudolf Jusits, Cornelia Lippert –, und mit diesem Abend erweist sich das Haus derzeit wieder einmal spielend als interessanteste Bühne Wiens.
Renate Wagner, Vorarlberger Nachrichten
Ein vielschichtiges Stück, glanzvoll interpretiert. In Werner Schwabs naturgetreuer Dekoration ergibt sich eine hervorragende Ensembleleistung, neben der alles beherrschenden Vera Borek tun sich Fritz Hammel, Toni Böhm, Johanna Mertinz und Heinz Petters besonders hervor.
Franz Konrad, Neue Zeit
Es ist Emmy Werner hoch anzurechnen, daß keiner der Mimen mit dem Tiefsinn dieses Wischi-Waschi-Dramas kokettiert. Es liegt nicht an dieser tadellosen Produktion, daß man sich am Ende sehr erleichtert fühlt. Steeruwitz Furor hinterläßt keine nachhaltigen Eindrücke – außer Auftritten am Abtritt.
Ronald Pohl, Der Standard
Alle texteigene Hermetik, die ein kunstbeflissenes Theater wohl aufgreifen wollte, wurde mit volkstheatralischen Mitteln aufgelöst: Sprachfärbung, wo keine vorgesehen ist, Lichtspot-Effekte der alten Off-Theaterschule, ungehemmte Musikuntermalung. Aber Werner beweist ein gutes Gespür für Pointen, lustig war’s jedenfalls. Auch ein bißl boshaft und nicht zu lange(weilig). Es wurde stark applaudiert.
Roland Koberg, Oberösterreichische Nachrichten