1991/92
Haupthaus

frontal

Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte
oder Stützen der Gesellschaften

von Elfriede Jelinek

Premiere 8. März 1992
Wiederaufnahme Spielzeit 1992/93

Mit
Inge Altenburger (Annemarie), Babett Arens (Eine Nora), Toni Böhm (Thorvald Helmer), Andrea Eckert (Eine Nora), Beatrice Frey (Eine Nora), Bernhard Hall (Vorarbeiter), Fritz Hammel (Sekretär), Judith Keller (Spielansagerin) Cornelia Lippert (Eine Nora), Johanna Mertinz (Sekretärin), Roger Murbach (Minister), Brigitte Neumeister (Frau Linde), Cornelius Obonya (Personalchef), Hertha Schell (Eva), Gabriele Schuchter (Eine Nora), Johannes Terne (Konsul Weygang)
Pianist: Michael Kienzl

Inszenierung: Emmy Werner
Ausstattung: Mimi Zuzanek
Choreographie: Blanka Modra
Musikalische Einrichtung: Michael Kienzl

 
Wohl bei kaum einem Drama der Weltliteratur wurde die Frage „Was geschah nachher?“ so häufig gestellt wie bei Ibsens „Nora“. – „Sie kann vielleicht zu ihrem Mann und ihren Kindern zurückkehren, sie kann aber auch als Zirkuskünstlerin umherziehen“ antwortete einmal Ibsen selbst darauf. Die Vorstellung, daß eine Frau sich ohne Not und äußeren Zwang alleine durch das Erwerbs-Leben schlagen könnte, war für die Entstehungszeit des Stücks neu und ungeheuerlich. Späteren Generationen stellte sich die Frage nicht mehr so sehr auf das Materielle bezogen, im Gegenteil: die Wortführerinnen der emanzipationswilligen Frauen versuchten die materiellen Probleme auszuklammern und sich auf Persönlichkeitsentwicklung und Selbstfindung zu konzentrieren.
1977 beantwortete Elfriede Jelinek die alte Frage radikal und erschöpfend: Nora findet die Fabriksarbeit, die ihr als ungelernter Arbeitskraft einzig offen steht, ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht förderlich, flüchtet sich in die Arme eines anderen Mannes, erfährt Abhängigkeit und sexuelle Ausbeutung durch die Stützen der Gesellschaften im großen Stil und landet schließlich dort, wo ihr Aufbruch begonnen hat: in Helmers inzwischen recht verschlissenem kleinbürgerlichen Puppenheim.
Elfriede Jelineks Fortsetzung von Ibsens Nora-Drama, ihre klarsichtige, pessimistische, zynische Abrechnung mit den idealistischen Träumereien des Feminismus, wurde 1979, als das Stück beim steirischen herbst uraufgeführt wurde, nicht gerne gehört: das Stück erlebte erst 1990 seine zweite Aufführung (Schauspiel Bonn). Nicht zuletzt durch Elfriede Jelineks spätere Stücke sensibilisiert, findet man heute in „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte?“ eine verzweifelt kalte Analyse realer Abhängigkeiten, brillanten Sprachwitz und eine skurrile Situationskomik.

 
Pressestimmen

Einfach ein Erfolg. Emmy Werner hat mit Witz und Aggressivität inszeniert.
Kronen Zeitung

Mit viel Witz und glänzenden Einfällen das Maximum herausgeholt.
Wochenpresse

Die Hauptfigur ist in fünf Charaktere gesplittert, die gemäß Noras unterschiedlichen Facetten, von fünf sehr unterschiedlichen Darstellerinnen verkörpert werden: Gabriele Schuchter ist das kokette Püppchen, das naiv Befreiung durch Arbeit sucht und bald enttäuscht ist, Babett Arens die Femme fatale, die sich den nächstbesten reichen Mann angelt, Cornelia Lippert die neuerlich zum Heimchen gewordene Nora, die brutal verschachert wird, Beatrice Frey die Domina, die Rache zu üben beginnt, Andrea Eckert die alternde, für die Männerwelt an Wert verlierende Frau.
Tiroler Tageszeitung

Freilich kann man auf diese Weise das fabelhafte Frauenensemble des Volkstheaters bewundern. Jede einzelne der Darstellerinnen wäre imstande, die ganze Rolle zu erspielen.
Kurier

Die Aufteilung der Nora-Rolle in fünf Frauen erhöhte zwar die Künstlichkeit dieser Figur, verlor aber durch die unterschiedliche schauspielerische Qualität an Spannung.
profil

Emmy Werner hat Nora fünffach (und fünffach glänzend) besetzt. Das soll man nicht als Regie-Gag mißverstehen, das hat Format. So entgeht Werner geschickt der Gefahr, aus Jelineks Nora ein Charakterfach zu zimmern, das sie nicht ist. So können die großartig aufeinander abgestimmten Noras Gabriele Schuchter, Babett Arens, Cornelia Lippert, Beatrice Frey und Andrea Eckert in jeweils zwei, drei Star-Auftritten die Facetten der Opferrolle bis zu faszinierender Unerträglichkeit parodieren. Im traurig-komischen Männerfach brillieren Johannes Terne als gefühlsstumpfer Investor und – was für eine Freude! – Toni Böhm als verklemmter Masochist.
Oberösterreichische Nachrichten

Ein Beweis, daß Jelineks Röntgenbild von Ibsens „Puppenheim“ – dessen Gebrauchswert von den Theatern kaum zur Kenntnis genommen wurde – auch über Tauschwert verfügt: Denn wenn alles mit rechten Dingen zugeht, müsste „Was geschah“ ein ähnlicher Publikumserfolg beschieden sein wie der „Dreigroschenoper“. Die Idee, die Rolle der Nora auf fünf Schauspielerinnen aufzuteilen, ist schlüssig; und die Mittel der Revue werden so lange zur Unterhaltung eingesetzt, bis die Grenzen choreographischer Perfektion erreicht sind: Dann wird alles schnell parodistisch unter Anführungszeichen gesetzt und damit auch noch politischer Hintersinn ins Geschehen geschmuggelt
Der Falter

Jelineks „Nora“ im Volktheater (Ausstatung: Mimi Zuzanek, Choreographie: Blanka Modra, musikalische Einrichtung: Michael Kienzl) mutet zeitweise wie ein satirisches Musikpotpourri an. Geschickt werden da ölige Klaviertöne arrangiert, die durch jähe, schrille Violintöne durchbrochen werden. In dieser Kontrapunktik setzt die Aufführung Akzente, bekommt sie Rhythmus.“
Salzburger Nachrichten

Produktionen W