2000/01
Haupthaus

frontal

Wittgensteins Neffe
von Thomas Bernhard

Deutschsprachige Erstaufführung der Bühnenfassung

Premiere 29. März 2001
Wiederaufnahme 2001/02
Gastspiele bei den Festwochen Gmunden und auf dem Donauschiff Schönbrunn

Mit Toni Böhm und Hasija Boric

Inszenierung und Bearbeitung: Patrick Guinand
Bühne und Kostüme: Pierre Albert
Licht: Hervé Gary

 
Es ist die Geschichte einer Freundschaft. Bei einem Sanatoriumsaufenthalt vertiefte sich Thomas Bernhards Freundschaft mit Paul Wittgenstein, die in leidenschaftlichen Diskussionen über Musik begonnen hatte. Paul Wittgenstein, der Neffe Ludwig Wittgensteins, entstammte einer der reichsten Familien Österreichs. Er besuchte das Theresianum in Wien und studierte Mathematik. Seit seinem 35. Lebensjahr brach seine Nervenkrankheit immer wieder durch. Anfänglich finanziell sehr gut gesichert, verschenkte er sein Vermögen unbekümmert an Freunde und Arme, bis er selber in Armut dahinvegetierte. In seinen letzten Lebensjahren vereinsamte er mehr und mehr, nur noch mit seinem Freund Thomas Bernhard verbunden. Bernhards Notizen sind zur Sterbegeschichte des Paul Wittgenstein geworden. Zwölf Jahre hindurch hatte Bernhard das Sterben seines Freundes beobachtet. Und durch diese Beobachtung hat sich auch die Selbstbeobachtung Thomas Bernhards verschärft – so dass durch den Porträtierten auch das Bild des Porträtisten starke Konturen gewinnt. Patrick Guinands Adaption von „Wittgensteins Neffe“ wurde 1991 mit großem Erfolg in Paris uraufgeführt und in Rom nachgespielt. Sie verdankt ihre Entstehung einem prägenden Gespräch mit dem Autor 1985 in Ohlsdorf.

 
Pressestimmen

Bewunderswert ist die Präzision, mit der Regisseur Patrick Guinand Toni Böhm als großen Redner in Szene setzt. Begleitet von der stummen Dienerin (treffend graues Wesen zwischen Furcht und Bestimmtheit: Hasija Boric), erzählt Böhm von Dummheit und Perfidie der Menschen um sich und Paul Wittgenstein herum. Bernhards Nachruf auf das Leben und Sterben Pauls, seines „Retters“ aus großer Melancholie, wird plötzlich zum Abgesang auf eine leider auch schon wieder im Sterben begriffene Wiener Kultur-Blütezeit.
Kronen Zeitung

… dass aus einem 160-Seiten-Buch eineinhalb Stunden auswendig vorgetragen … ein 1000 Plätze Auditorium nicht nur füllen, sondern auch unterhalten, muss freudig reportiert werden. Hat also jene literarische Tradition noch ihr Publikum, die von der Wissenschaft als spezifisch österreichische beschrieben wird: Sprachbetonung, sprachversessenheit, in Häme und Humor auszuckende, sonst monoton-skeptische Wortmusik.
Die Presse

Insgesamt tut die Zurückhaltung gut, denn sie lässt dem Wort Raum und bringt das symphonische Gewebe der komplizierten Prosa zur Entfaltung.
Salzburger Nachrichten

Erzählt wird, wie ich erst jetzt sehe, eine unerwiderte Liebesgeschichte zwischen seiner, die Glühbirnen geräuschvoll aushustenden Haushälterin (Hasija Boric), und ihm, dem Erzähler, der ja der Toni Böhm ist als die ideale Bernhard-Figur. Dieser Toni Böhm ist ja nichts als das verhuschte, nie im Erwachsenenalter angelangte, aber uns alle angehende Kind als der angemaßte Herr. Das ist er gewesen, und so soll es, wie gesagt werden muss, sein.
Der Standard

Dieser gelungene „Wittgensteins Neffe“ ist Beispiel und Gegenbeispiel zugleich für Bernhards menschenfeindliche und -freundliche Konzeption von Glück. Letztendlich aber eine der schönsten literarischen Freundschaftsbekenntnisse der Welt. Berührend und doch völlig unsentimental wird einer der persönlichsten Bernhard-Texte glänzend für die Bühne adaptiert. Das Stück ist als eine Art Requiem für Paul gedacht. Gleichzeitig aber auch ein Selbstporträt des Ich-Erzählers – von Thomas Bernhard. Diese zwei Stimmen in einer Person zu vereinen, schafft Toni Böhm mit beeindruckender Klarheit und Schärfe.
Wiener Zeitung

Toni Böhm also ist Thomas Bernhard. Besser: Er ist es erfreulicherweise nicht. Stets wahrt der Darsteller die Distanz zu seiner Figur, hebt die komplexen Monologe des Erzählers auf eine allgemein gültige Ebene. Zwischen Schuldgefühl und Verklärung kreiert Böhm gleich zwei Porträts: das Bildnis des Paul Wittgenstein als schillernden Abgesang auf eine Ära. Und die inneren Konflikte eines schöpferisch Tätigen, eines von der Hassliebe zu Wien und Österreich gezeichneten Menschen. Virtuos gespielt; sprachlich feinsinnig zelebriert.
Kurier

Produktionen W