2004/05
Haupthaus

Nur Ruhe!
von Johann Nestroy

Premiere 10. April 2005

Anton Schafgeist: Toni Böhm
Heinrich Splittinger: Christoph Zadra
Herr von Hornissl: Uwe Falkenbach
Frau von Hornissl: Erika Mottl
Peppi, beider Tochter: Gertrud Drassl
Laffberger: Florian Teichtmeister
Madame Groning: Cornelia Lippert
Syndicus Werthner: Peter Vilnai
Franz Walkauer: Fritz Hammel
Sanfthuber: Rolf Schwab
Rochus Dickfell: Wolfgang Hübsch
Leocadia, seine Ziehtochter: Piroska Szekely
Frau Schiegl: Gabriele Schuchter
Klecks, Amtsschreiber: Alfred Rupprecht
Patzmann, Dorfchirurg: Werner Prinz

Inszenierung: Michael Kreihsl
Bühne: Bernhard Kleber
Kostüme: Mimi Zuzanek
Musikalische Einstudierung: Otmar Klein

Schafgeist, ein erfolgreicher Unternehmer, will sich an seinem 55. Geburtstag zur Ruhe setzen und sein Geschäft seinem Neffen übergeben. Sein Herzenswunsch lautet „Nur Ruhe!“. Aber das schreckliche Gegenteil tritt ein. Fremde bemächtigen sich des Haushalts, ein teuflischer Knecht zieht ihn in ein Intrigennetz, eine zweifelhafte Schönheit bringt den Neffen um seinen Verstand. Eine der weniger oft gespielten Possen, trotz aller Lustigkeit auch auf eine unterschwellige, fast ungreifbare Art ziemlich böse. Hier nimmt Nestroy niemanden und nichts aus seiner bitter-schwarzen Weltsicht aus.

 
Pressestimmen

Böhm, der ein rarer, wahrer Glücksfall in einer merkwürdig empfindungsschwachen und rhythmusarmen Wiener Volkstheater-Veranstaltung ist, nimmt in der pikierten Gereiztheit seiner verdutzten Ereignisabwehr das Los des lächerlichen Kleinbürgers auf sich. Er trägt das Substrat von Nestroys Ideologiekritik wie ein Kreuz, das er zugleich von den Schultern seines vernachlässigten Stangenanzugs abzuschütteln trachtet. Monsieur Schafgeist, der in einer beispiellos unpraktischen Bühnenschachtel mit Innen-Außen-Effekt (Bühne: Bernhard Kleber) über ein Museum aus Messingvitrinen gebietet, in denen sich Medizinabfallstücke befinden, ist von den Platzhaltern seines aufzukündigenden Fabriksbetriebs, aber auch von hereinschneienden Gästen und Parasiten umgeben wie das Notlicht von den Motten. Es liegt schon eher an den Schwächen von Michael Kreihsl Regie, dass zwar ein paar hübsche Details aus diesem von Nestroy vorsätzlich angebahnten Kapitalismus-Kollaps unverhofft herauftauchen. Der Kontext der Erzählung hält aber der Bedenkenlosigkeit, mit der offenbar jeder dasjenige spielt, was ihm gerade so durch den Kopf rauscht, nicht stand. (…) Es wäre einem von Herzen egal, wer da gerade welche Pointen verwackelt, ob Hübsch wieder einmal breitbeinig krakeelt oder schwache Couplets verkräht – wenn da eben nicht Böhm wäre, der sich als Gastgeber wider Willen in eine aufsässige Querulanz wie in eine verrückte Spindelform hineinzwängt. Diese leidlich beklatschte Nestroy-Produktion hätte mehr Raserei im Ausrasten verdient.
Ronald Pohl, Der Standard

In der Inszenierung von Michael Kreihsl jedenfalls, die am Sonntag Premiere hatte, gibt es Subtiles, Derbes, Flottes und auch weniger Geglücktes. Ein abgerundeter Abend also für Biedermänner, die auch den Reiz des Abgründigen lieben. (…) Zu Höhepunkten schwingt sich Hübsch jedoch auf, wenn er einen wirklich miesen Charakter spielt, der in Ziehtochter Leocadia (Piroska Szekely) eine kongeniale Verbündete hat. Wenn er die Vorstadt-Blume ganz nebenbei unsittlich bedrängt, wirkt das unheimlich authentisch. Die bedrohliche Familie Hornissl (Uwe Falkenbach, Erika Mottl und Gertrud Drassl als dümmliche Tochter Peppi) hingegen erschöpft sich in dieser Regie als eindimensional; wie ein Automaten-Wesen ergibt sich Peppi dem nervösen Werkmeister Walkauer (Fritz Hammel, der vergleichsweise differenziert spielt). Beschränkt ist auch die Rolle des Gigerl Laffberger (Florian Teichtmeister) angelegt, eine minimierte Variante des authentischen Rochus. Star des Abends ist jedoch Toni Böhm als Leder-Macher Anton Schafgeist, ein kleiner Lear; so viel Ausdrucksvermögen, um in kleinen Gesten die Schlechtigkeit der Welt zu demonstrieren.
Norbert Mayer, Die Presse

Doch die Wiederentdeckung des bei seiner Uraufführung (1843) mit Bomben und Granaten durchgefallenen Werkes lohnt allemal. Abgesehen von Nestroys Wortwitz verdienen gerade jene das Publikum von damals befremdenden Ansätze zu „realistischer Darstellung und satirischer Weltbetrachtung“ (Jürgen Hein) aus heutiger Perspektive besondere Beachtung. Steht doch im Mittelpunkt kein sympathischer Schlawiner, sondern ein durchtriebener Opportunist, der zuletzt weder moralisch gebessert, ja nicht einmal bestraft wird. Dieser trinkfreudige und gewalttätige Lederergeselle Rochus Dickfell, der nach einer Schlägerei fristlos entlassen wurde, bringt die Ereignisse ins Rollen, als er ausgerechnet am Geburtstag des gutherzigen Schafgeists auftaucht und sich bei seinem Ex-Chef neuerlich einzuschleimen versteht. Wolfgang Hübsch verleiht ihm die hinterfotzige Gefährlichkeit eines als Biedermann auftretenden Taktierers, der im richtigen Moment nach oben aufdringlich buckelt und gleichzeitig schon die nächste Intrige plant. Das Einzige, was an dieser rundum geglückten Nestroy-Figur irritiert, sind die ins Handmikrophon gesungenen Couplets zum Live-Sound von Hammond-Orgel, E-Gitarre und E-Bass.
Hilde Haider-Pregler, Wiener Zeitung

Produktionen N